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Der blinde Sänger


Sophokles

Wo bist du, Jugendliches! das immer mich
Zur Stunde weckt des Morgens, wo bist du, Licht!
Das Herz ist wach, doch bannt und hält in
Heiligem Zauber die Nacht mich immer.

Sonst lauscht ich um die Dämmerung gern, sonst harrt
Ich gerne dein am Hügel, und nie umsonst!
Nie täuschten mich, du Holdes, deine
Boten, die Lüfte, denn immer kamst du,

Kamst allbeseligend den gewohnten Pfad
Herein in deiner Schöne, wo bist du, Licht!
Das Herz ist wieder wach, doch bannt und
Hemmt die unendliche Nacht mich immer.

Mir grünten sonst die Lauben; es leuchteten
Die Blumen, wie die eigenen Augen, mir;
Nicht ferne war das Angesicht der
Meinen und leuchtete mir und droben

Und um die Wälder sah ich die Fittige
Des Himmels wandern, da ich ein Jüngling war;
Nun sitz ich still allein, von einer
Stunde zur anderen, und Gestalten

Aus Lieb und Leid der helleren Tage schafft
Zur eignen Freude nun mein Gedanke sich,
Und ferne lausch ich hin, ob nicht ein
Freundlicher Retter vielleicht mir komme.

Dann hör ich oft die Stimme des Donnerers
Am Mittag, wenn der eherne nahe kommt,
Wenn ihm das Haus bebt und der Boden
Unter ihm dröhnt und der Berg es nachhallt.

Den Retter hör ich dann in der Nacht, ich hör
Ihn tötend, den Befreier, belebend ihn,
Den Donnerer vom Untergang zum
Orient eilen und ihm nach tönt ihr,

Ihm nach, ihr meine Saiten! es lebt mit ihm
Mein Lied und wie die Quelle dem Strome folgt,
Wohin er denkt, so muß ich fort und
Folge dem Sicheren auf der Irrbahn.

Wohin? wohin? ich höre dich da und dort,
Du Herrlicher! und rings um die Erde tönts.
Wo endest du? und was, was ist es
Über den Wolken und o wie wird mir?

Tag! Tag! du über stürzenden Wolken! sei
Willkommen mir! es blühet mein Auge dir.
O Jugendlicht! o Glück! das alte
Wieder! doch geistiger rinnst du nieder,

Du goldner Quell aus heiligem Kelch! und du,
Du grüner Boden, friedliche Wieg! und du,
Haus meiner Väter! und ihr Lieben,
Die mir begegneten einst, o nahet,

O kommt, daß euer, euer die Freude sei,
Ihr alle, daß euch segne der Sehende!
O nimmt, daß ichs ertrage, mir das
Leben, das Göttliche mir vom Herzen.
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Das Schicksal


Aeschylus

Als von des Friedens heilgen Talen,
Wo sich die Liebe Kränze wand,
Hinüber zu den Göttermahlen
Des goldnen Alters Zauber schwand,
Als nun des Schicksals ehrne Rechte,
Die große Meisterin, die Not,
Dem übermächtigen Geschlechte
Den langen, bittern Kampf gebot,

Da sprang er aus der Mutter Wiege,
Da fand er sie, die schöne Spur
Zu seiner Tugend schwerem Siege,
Der Sohn der heiligen Natur;
Der hohen Geister höchste Gabe,
Der Tugend Löwenkraft begann
Im Siege, den ein Götterknabe
Den Ungeheuern abgewann.

Es kann die Lust der goldnen Ernte
Im Sonnenbrande nur gedeihn;
Und nur in seinem Blute lernte
Der Kämpfer, frei und stolz zu sein;
Triumph! die Paradiese schwanden,
Wie Flammen aus der Wolke Schoß,
Wie Sonnen aus dem Chaos, wanden
Aus Stürmen sich Heroën los.

Der Not ist jede Lust entsprossen,
Und unter Schmerzen nur gedeiht
Das Liebste, was mein Herz genossen,
Der holde Reiz der Menschlichkeit;
So stieg, in tiefer Flut erzogen,
Wohin kein sterblich Auge sah,
Stillächelnd aus den schwarzen Wogen
In stolzer Blüte Cypria.

Durch Not vereiniget, beschwuren
Vom Jugendtraume süß berauscht
Den Todesbund die Dioskuren,
Und Schwert und Lanze ward getauscht;
In ihres Herzens Jubel eilten
Sie, wie ein Adlerpaar, zum Streit,
Wie Löwen ihre Beute, teilten
Die Liebenden Unsterblichkeit. –

Die Klagen lehrt die Not verachten,
Beschämt und ruhmlos läßt sie nicht
Die Kraft der Jünglinge verschmachten,
Gibt Mut der Brust, dem Geiste Licht;
Der Greise Faust verjüngt sie wieder;
Sie kömmt, wie Gottes Blitz, heran,
Und trümmert Felsenberge nieder,
Und wallt auf Riesen ihre Bahn.

Mit ihrem heilgen Wetterschlage,
Mit Unerbittlichkeit vollbringt
Die Not an Einem großen Tage,
Was kaum Jahrhunderten gelingt;
Und wenn in ihren Ungewittern
Selbst ein Elysium vergeht,
Und Welten ihrem Donner zittern –
Was groß und göttlich ist, besteht. –

O du, Gespielin der Kolossen,
O weise, zürnende Natur,
Was je ein Riesenherz beschlossen,
Es keimt` in deiner Schule nur.
Wohl ist Arkadien entflohen;
Des Lebens beßre Frucht gedeiht
Durch sie, die Mutter der Heroën,
Die eherne Notwendigkeit. –

Für meines Lebens goldnen Morgen
Sei Dank, o Pepromene, dir!
Ein Saitenspiel und süße Sorgen
Und Träum und Tränen gabst du mir;
Die Flammen und die Stürme schonten
Mein jugendlich Elysium,
Und Ruh und stille Liebe thronten
In meines Herzens Heiligtum.

Es reife von des Mittags Flamme,
Es reife nun vom Kampf und Schmerz
Die Blüt am grenzenlosen Stamme,
Wie Sprosse Gottes, dieses Herz!
Beflügelt von dem Sturm, erschwinge
Mein Geist des Lebens höchste Lust,
Der Tugend Siegeslust verjünge
Bei kargem Glücke mir die Brust!

Im heiligsten der Stürme falle
Zusammen meine Kerkerwand,
Und herrlicher und freier walle
Mein Geist ins unbekannte Land!
Hier blutet oft der Adler Schwinge;
Auch drüben warte Kampf und Schmerz!
Bis an der Sonnen letzte ringe,
Genährt vom Siege, dieses Herz.
Diotima

(Bruchstücke einer älteren Fassung)

Lange tot und tiefverschlossen,
Grüßt mein Herz die schöne Welt,
Seine Zweige blühn und sprossen,
Neu von Lebenskraft geschwellt;
O! ich kehre noch ins Leben,
Wie heraus in Luft und Licht
Meiner Blumen selig Streben
Aus der dürren Hülse bricht.

Die ihr meine Klage kanntet,
Die ihr liebezürnend oft
Meines Sinnes Fehle nanntet
Und geduldet und gehofft,
Eure Not ist aus, ihr Lieben!
Und das Dornenbett ist leer,
Und ihr kennt den immertrüben
Kranken Weinenden nicht mehr.

Wie so anders ists geworden!
Alles was ich haßt und mied,
Stimmt in freundlichen Akkorden
Nun in meines Lebens Lied,
Und mit jedem Stundenschlage
Werd ich wunderbar gemahnt
An der Kindheit goldne Tage,
Seit ich dieses Eine fand.

Diotima! selig Wesen!
Herrliche, durch die mein Geist,
Von des Lebens Angst genesen,
Götterjugend sich verheißt!
Unser Himmel wird bestehen,
Unergründlich sich verwandt
Hat, noch eh wir uns gesehen,
Unser Wesen sich gekannt.

Da ich noch in Kinderträumen,
Friedlich wie der blaue Tag,
Unter meines Gartens Bäumen
Auf der warmen Erde lag,
Da mein erst Gefühl sich regte,
Da zum erstenmale sich
Göttliches in mir bewegte,
Säuselte dein Geist um mich.

Ach und da mein schöner Friede,
Wie ein Saitenspiel, zerriß,
Da von Haß und Liebe müde
Mich mein guter Geist verließ,
Kamst du, wie vom Himmel nieder
Und es gab mein einzig Glück,
Meines Sinnes Wohllaut wieder
Mir ein Traum von dir zurück.

Da ich flehend mich vergebens
An der Wesen kleinstes hing,
Durch den Sonnenschein des Lebens
Einsam, wie ein Blinder, ging,
Oft vor treuem Angesichte
Stand und keine Deutung fand,
Darbend vor des Himmels Lichte,
Vor der Mutter Erde stand,

Lieblich Bild, mit deinem Strahle
Drangst du da in meine Nacht!
Neu an meinem Ideale,
Neu und stark war ich erwacht;
Dich zu finden, warf ich wieder,
Warf ich meinen trägen Kahn
Von dem toten Porte nieder
In den blauen Ozean. –

Nun, ich habe dich gefunden!
Schöner, als ich ahndend sah
In der Liebe Feierstunden,
Hohe Gute! bist du da;
O der armen Phantasien!
Dieses Eine bildest nur
Du, in deinen Harmonien
Frohvollendete Natur!

Wie auf schwanker Halme Bogen
Sich die trunkne Biene wiegt,
Hin und wieder angezogen,
Taumelnd hin und wieder fliegt,
Wankt und weilt vor diesem Bilde
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Hab, ins tiefste Herz getroffen,
Oft um Schonung sie gefleht,

Wenn so klar und heilig offen
Mir ihr eigner Himmel steht,
Wenn die Schlacken, die mich kümmern,
Dieses Engelsauge sieht,
Wenn vor meines Friedens Trümmern
Dieser Unschuld Blume blüht;

Habe, wenn in reicher Stille,
Wenn in einem Blick und Laut
Seine Ruhe, seine Fülle
Mir ihr Genius vertraut,
Wenn ihr Geist, der mich begeistert,
An der hohen Stirne tagt,
Von Bewundrung übermeistert,
Zürnend ihr mein Nichts geklagt.

Aber, wie, in zarten Zweigen,
Liebend oft von mir belauscht,
Traulich durch der Haine Schweigen
Mir ein Gott vorüberrauscht,
So umfängt ihr himmlisch Wesen
Auch im Kinderspiele mich,
Und in süßem Zauber lösen
Freudig meine Bande sich.
Lied der Liebe

(Erste Fassung)

Engelfreuden ahndend wallen
Wir hinaus auf Gottes Flur,
Wo die Jubel widerhallen
In dem Tempel der Natur;
Heute soll kein Auge trübe,
Sorge nicht hienieden sein,
Jedes Wesen soll der Liebe
Wonniglich, wie wir, sich freun.

Singt den Jubel, Schwestern! Brüder!
Festgeschlungen! Hand in Hand!
Singt das heiligste der Lieder
Von dem hohen Wesenband!
Steigt hinauf am Rebenhügel,
Blickt hinab ins Schattental!
Überall der Liebe Flügel,
Wonnerauschend überall!

Liebe lehrt das Lüftchen kosen
Mit den Blumen auf der Au,
Lockt zu jungen Frühlingsrosen
Aus der Wolke Morgentau,
Liebe ziehet Well an Welle
Freundlichmurmelnd näher hin,
Leitet aus der Kluft die Quelle
Sanft hinab ins Wiesengrün.

Berge knüpft mit ehrner Kette
Liebe an das Firmament,
Donner ruft sie an die Stätte,
Wo der Sand die Pflanze brennt,
Um die hehre Sonne leitet
Sie die treuen Sterne her,
Folgsam ihrem Winke gleitet
Jeder Strom ins weite Meer.

Liebe wallt in Wüsteneien,
Höhnt des Dursts im dürren Sand,
Sieget, wo Tyrannen dräuen,
Steigt hinab ins Totenland;
Liebe trümmert Felsen nieder,
Zaubert Paradiese hin,
Schaffet Erd und Himmel wieder
Göttlich, wie im Anbeginn.

Liebe schwingt den Seraphsflügel,
Wo der Gott der Götter wohnt,
Lohnt den Schweiß am Felsenhügel,
Wann der Richter einst belohnt,
Wann die Königsstühle trümmern,
Hin ist jede Scheidewand,
Adeltaten heller schimmern,
Reiner, denn der Krone Tand.

Mag uns jetzt die Stunde schlagen,
Jetzt der letzte Othem wehn!
Brüder! drüben wird es tagen,
Schwestern! dort ist Wiedersehn;
Jauchzt dem heiligsten der Triebe,
Die der Gott der Götter gab,
Brüder! Schwestern! jauchzt der Liebe!
Sie besieget Zeit und Grab!
Lied der Freundschaft

(Erste Fassung)

Frei, wie Götter an dem Mahle,
Singen wir um die Pokale,
Wo der edle Trank erglüht,
Voll von Schauern, ernst und stille,
In des Dunkels heilger Hülle
Singen wir der Freundschaft Lied.

Schwebt herab aus kühlen Lüften,
Schwebet aus den Schlummergrüften,
Helden der Vergangenheit!
Kommt in unsern Kreis hernieder,
Staunt und sprecht: Da ist sie wieder,
Unsre deutsche Herzlichkeit.

Singe von ihr Jubellieder,
Von der Wonne deutscher Brüder,
Chronos! in dem ewgen Lauf;
Singe, Sohn der Afterzeiten!
Sing: Elysens Herrlichkeiten
Wog ein deutscher Handschlag auf.

Ha! der hohen Götterstunden!
Wann der Edle sich gefunden,
Der für unser Herz gehört;
So begeisternd zu den Höhen,
Die um uns, wie Riesen, stehen!
So des deutschen Jünglings wert!

Froher schlägt das Herz, und freier!
Reichet zu des Bundes Feier
Uns der Freund den Becher dar;
Ohne Freuden, ohne Leben
Erntet` er Lyäus Reben,
Als er ohne Freunde war.

Stärke, wenn Verleumder schreien,
Wahrheit, wenn Despoten dräuen,
Männermut im Mißgeschick,
Duldung, wenn die Schwachen sinken,
Liebe, Duldung, Wärme trinken
Freunde von des Freundes Blick.

Sanfter atmen Frühlingslüfte,
Süßer sind der Linde Düfte,
Kühliger der Eichenhain,
Wenn bekränzt mit jungen Rosen
Freunde bei den Bechern kosen,
Freunde sich des Abends freun.

Brüder! laßt die Toren sinnen,
Wie sie Fürstengunst gewinnen,
Häufen mögen Gut und Gold;
Lächelnd kanns der Edle missen,
Sich geliebt, geliebt zu wissen,
Dies ist seiner Taten Sold.

Schmettert aus der trauten Halle
Auch die Auserwählten alle
In die Ferne das Geschick,
Wandelt er mit Schmerz beladen
Nun auf freundelosen Pfaden,
Schwarzen Gram im bangen Blick,

Wankt er, wenn sich Wolken türmen,
Wankt er nun in Winterstürmen
Ohne Leiter, ohne Stab,
Lauscht er abgebleicht und düster
Bangem Mitternachtsgeflüster
Ahndungsvoll am frischen Grab,

O da kehren all die Stunden,
So in Freundesarm verschwunden,
Unter Schwüren, wahr, und warm,
All umfaßt mit sanftem Sehnen
Seine Seele, süße Tränen
Schaffen Ruhe nach dem Harm.

Rauscht ihm dann des Todes Flügel,
Schläft er ruhig unterm Hügel,
Wo sein Bund den Kranz ihm flicht,
In die Locken seiner Brüder
Säuselt noch sein Geist hernieder,
Lispelt leis: Vergeßt mich nicht!