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Die Wolkenlilie

- Gedicht von Albert Knapp

Die Wolkenlilie

(29 Nov. 1830.)

Wie silbern dort am reinsten Himmel bin
Das lichte Streifgewölk zur Höhe steigt!
Ein Bläterpaar, ein Stengel mittendrinn,
Darauf sich eins Lilie lieblich neigt.

Vielfältiges Gebild der Himmelsflur,
Wie wechselst du buntwollig die Gestalt!
Wie viele Formen sind durch den Azur
Als Seelenbilder schon dahingewallt!

Doch mir kein schön`res. — Wenn das Weltgericht
Ferndonnernd uns im Nachtgewölle naht, —
Wie, oder wenn die Lämmerwolke spricht:
Du Lamm des Hirten, wandle seinen Pfad!

Wenn hoch des Abends Purpursaum erglüht
Und an der Ewigkeiten Sabbath mahnt:
Die zarte Lilie, die dort oben blüht,
Zeigt doch das Lieblichste, was ich geahnt.

In unermessner Tiefe wurzelt still
Der sanfte Geist, und duftet mild und rein,
Und hebt sich doch, weil Er nur Eines will,
In aller Himmel Höhe weit hinein.

Sein Kleid ist Unschuld, und sein Blätterpaar
Heißt Lieb` und Demuth;  satt der Farben wählt Er
Licht zum Schmucke, blüht unwandelbar,
Den Lilien des Himmels zugezählt.


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