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DER PFAFFENSACK.

- Gedicht von Rudolf Baumbach

DER PFAFFENSACK.

    Ein alter Bauer gestorben war;
Zwei Söhne folgten seiner Bahr`,
Der eine war ein Dorfkaplan,
Der andre ein Bauer lobesan.
Sie brachten ihn zur ewigen Ruh,
Schulkinder sangen ein Lied dazu.
Darauf der Pfarr am offenen Grab
Dem Toten den letzten Segen gab.
Die Weiber schluchzten und weinten sich aus,
Dann zog man in das Sterbehaus,
Bei gutem Trunk und fettem Essen
Den Kummer kauend zu vergessen.

Als spät die Gäste gegangen wieder,
Blieben allein zurück die Brüder,
Sprachen dies und sprachen das
Und schwuren ohne Neid und Hass
Morgen früh bei guter Weile
Das Erbe zu teilen in zwei Teile.

    Und so geschah`s. Sie teilten sich
In`s Grut des Alten brüderlich.
Der Bauer nahm die Aecker all.
Das Haus zusammt dem Vieh im Stall.
Den Wert von Haus und Hof und Feld
Erhielt der geistliche Herr an Geld.
Der eine gab, der andre nahm,
Und keiner dabei zu Schaden kam.

    Doch als sie alles abgeschätzt,
Blieb übrig noch ein Sack zuletzt.
Und um den Sack, obgleich er leer.
Beinah` ein Streit entstanden war`,
Dieweil der Bauer, was er sollte,
Nicht für den Sack bezahlen wollte.

    Am Ende griffen sie zur Schere
Und schnitten durch den Sack die Quere,
Das Unterteil mit seiner Naht
Der Bauer sich erwählen that,
Das bodenlose Oberstück
Behielt sich der Kaplan zurück.
So war der Bruderzwist vermieden,
Und beide trennten sich zufrieden.

    Der off`ne Sack in kurzer Zeit
Fand Beifall bei der Geistlichkeit,
Und selbst der Papst im Vatikan
Schaffte sich solch ein Säcklein an.

    Ein Schreiber aber nahm die Feder,
Schrieb diesen Spruch auf Eselsleder:
Der Pfaffensack wird nimmer satt,
Dieweil er keinen Boden hat.


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