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Späte Liebe

- Gedicht von Friedrich Halm

Späte Liebe

(An Lilly)

Nein, Alter schützt vor Torheit nicht;
Selbst mußt` ich es erfahren!
Jung bleibt die Seele, Reiz besticht
Die Herzen trotz den Jahren!

Gepanzert wähnt` ich meine Brust
Fortan vor Eros` Tücke,
Doch er, dem Unheilschaffen Lust,
Ersah sich eine Lücke.

Er hat mein arglos Herz verstrickt
In blonder Locken Schlingen,
Er ließ ein Aug`, das Unschuld blickt,
Mit Gluten mich durchdringen!

O blaues Auge, licht und klar,
Du hast mich überwunden,
Du hältst mich, blondes Ringelhaar,
Gefesselt und gebunden!

O kirschenroter Purpurmund,
Wie lausch` ich deinen Tönen,
Wie jubl` ich, will zur guten Stund`
Ein Lächeln dich verschönen!

So leb` ich hin, mich still beglückt
An ihrem Reize weidend,
Die Blum`, die sie im Spiel zerpflückt,
Um ihren Tod beneidend!

So leb` ich hin und wünsche nichts,
Als nur ihr Glück zu mehren,
Als nur mit Fluten Sonnenlichts
Ihr Leben zu verklären!

Erwidrung fordr` ich, hoff` ich nicht;
Denn meine Sterne dunkeln,
Wenn ihre hell und demantlicht
Ihr überm Haupte funkeln!

Nur eines hoff` ich still und fromm:
Daß sie im Flug der Jahre
Mein Angedenken, was auch komm`,
Im Herzen sich bewahre!

O später Liebe herbes Los,
Ich weiß, du heißt: entsagen,
Du heißt: der Blume warten bloß,
Nicht sie am Herzen tragen! -

So sprach ich jüngst gerührt sie an;
Sie hört`s mit trocknen Augen
Und führt zum Mund ihr Händchen dann,
Recht herzhaft dran zu saugen!

Ihr starrt mich an, als wie im Traum,
Betroffen und verwundert!
Nun ja, sie zählt zehn Monden kaum
Und ich ein halb Jahrhundert!


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