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Ein Abschied

- Gedicht von Max Beilhack

Ein Abschied

    Zum letzten Male saßen wir im Kreise,
    Zum letzten Male sonst so frohe Zecher!
    Mein Nachbar summte eine heitre Weise
    Wehmütig hin, die Andern schwiegen; leise
    Stahl manche Träne sich in manchen Becher.

Und Kuss, Umarmung, Handschlag kömmt am Ende,
Aufschäumen schon der edlen Weine Säfte.
Wenn morgen ich der Stadt den Rücken wende,
Sitzt Jeglicher schon rechnend beim Geschäfte.

Vertrocknet, weggewischt sind alle Spuren
Vom Abschiedsmahl, das tat ein Tuch, ein Besen,
Die Becher stehen blank, still geh’n die Uhren,
Als wär’s von jeher also schon gewesen.

Mein Vater gibt allein mir das Geleite:
„Und nun leb‘ wohl, auf freudig Wiedersehen!“
Er steht noch lange, schauet ein die Weite -- --
Die Jahre kommen, und die Jahre gehen.

Ich kehre heim, ich hör’ dieselben Lieder,
Die mir beim Abschied noch geklungen haben
Von fremden Lippen. Sprecht, wo sind die Brüder?
„Vergessen!“ – Und der Vater? – „ist begraben!“ –

Dort auf dem Kirchhof wuchern lust’ge Blumen,
Geschwätzig murmeln lachende Fontänen,
Und flossen auf Fontänen doch und Blumen
Einst Tränen – freilich lang versiegte Tränen.

    Noch immer summt‘ mein Nachbar seine Weise;
    Doch hurtig hoben Becher sich und Hände;
    Rings stand um mich der Freunde Schar im Kreise;
    Die Becher klangen: „Glücklich sei die Reise;“
    Ich aber dacht‘ an aller Dinge Ende.


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