A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z


zurück zu Heinrich Freimuth

Die beiden Engel

- Gedicht von Heinrich Freimuth

Die beiden Engel

(Aus dem Englischen des H. W. Longfellow.)

Es dämmerte; — des Dorfes Hütten kränzte
Ein blauer Federschmuck — der frühe Rauch;
Die ferne Höhe silbernrosig glänzte,
Die Schatten floh`n im frischen Morgenhauch.

Ich schaute auf, sah zwei Gestalten schweben
Auf lichter Bahn das stille Thal entlang, —
Ein Engelpaar, den Tod und, o, das Leben —
Wohin, wohin auf eurem Votengang?

Sie glichen sich wie Brüder, diese Beiden —
Die Züge gleich und gleich ihr weiß Gewand;
Nur an dem Kranz der Stirn zu unterscheiden, —
Hier Asphodillen und dort Amaranth.

Und dicht vor mir sah ich sie niederschweben,
Voll Angst las ich in ihren Blicken nun;
Sei still, mein Herz, daß ihnen nicht mein Beben
Den Ort verrät, wo meine Lieben ruh`n.

Und der da trug den Kranz von Asphodillen,
Leis hin an meine Hüttenthüre trat,
Und Schrecken fühlt` ich meine Seele füllen,
Da er nun, pochend, mich um Einlaß bat.

Ich öffnete die Thür dem Himmelsboten
Und lauschte still, als spräche Gott zu mir;
Ja, hätt` er mir das schlimmste auch entboten,
— Nur Gutes kommt, dacht` ich, o Herr, von Dir.

`Nicht Tod ist meine Sendung, sondern Leben!`
So sprach er mild und lichter ward`s ringsum;
Ich sah den Engel fürder schon entschweben,
Gefaßter stand ich da, doch immer stumm.

Der and`re mit der Amaranthenkrone
Er schwang sich nieder, Freund, vor deinem Haus,
Und da er eintrat, sprach mit Trauertone
Das bitt`re, bitt`re Wort er: `Sterben!` aus.

Ein Schatten senkte plötzlich da sich nieder
Aufs Haus und auf ein liebes Augenpaar, —
Zwei Engel schwebten aus der Hütte wieder,
In die der eine kaum getreten war.


Anzeigen