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Der goldene Meilenstein

- Gedicht von Heinrich Freimuth

Der goldene Meilenstein

(Aus dem Englischen des Henry Wadsworth Longfellow)

Kahle Bäume strecken in die Lüfte
Ihre roten Zweige, wie Korallen,
      Krüppelarmig,
In des Winterabends rotem Meere.

Die Kamine qualmen rings im Dorfe;
Wie ein Afrit im arab`schen Märchen
      Steigt des Rauches
Finst`re Säule auf von jedem Herde.

An den dunklen Scheiben malt sich flackernd
Hier ein Feuer, dort ein Lampenschimmer, —
      Wachtsignalen
Ähnlich, glühen durch die Nacht die Zeichen.

Auf dem Herde stammt der Holzstoß knisternd,
Und wie Ariel in gespalt`ner Fichte
      Seufzt und stöhnet
Die verschloss`ne Luft im Holz nach Freiheit.

Am Kamine sitzen still die Alten,
Seh`n zerstörte Städte in der Asche,
      Traurig fordern
Sie vom Gestern, was es nicht kann geben.

Am Kamine sitzen junge Träumer
Wunderschlösser bauend in Gedanken,
      Blind verlangend
Von der Zukunft, was sie nicht kann geben.

Am Kamin entspinnen Trauerspiele
Sich, in deren Scenen Zwei nur spielen —
      Mann und Weib nur —
Und nur Einer — Gott — sieht diese Dramen.

Am Kamine wohnen Glück und Friede;
Weib und frische, rosenschöne Kinder
      Warten, lauschen
Da dem wohlbekannten Tritt im Gange.

Gold`ne Meilensteine sind die Herde,
Denn nach ihnen messen unsre Wege,
      So die eb`nen,
Wie des Unglücks dornenvolle Pfade.

Magst du wandern, wo du willst, du stehst sie,
Hörst die Flamme knistern, hörst den Nachtwind
      Wie vor Zeiten
Als, die nicht mehr sind, noch um dich waren.

Glücklich er, den Reichtum nicht noch Mode
In den Lärm der nahen Stadt verlocken
      Weg vom Herde,
Wo gewohnt das stille Glück der Jugend.

Bauen magst du glänzendere Räume,
Zieren sie mit tausend Kunstgebilden.
      Niemals aber
Kaufst den Elternherd mit Gold du wieder.


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