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Marie Duchatel

- Gedicht von Theodor Fontane

Marie Duchatel

(Aus der Zeit Maria Stuarts)

»Welchen Hofstaat bringt unsre Königin mit?«
»Sie bringt mit ihre vier Marien,
Ihre vier Marien von Frankreich her,
Die müssen mit ihr ziehn.

Die müssen ihr plätten und glätten das Bett
Und warten auf der Schwell`,
Ich kenne die jüngste, die schönste,
Das ist Marie Duchatel.«

Marie Duchatel sprang ans Ufer,
Im Winde flog ihr Haar,
Der König sah Marie Duchatel
Und wie schön und wie schlank sie war.

Marie Duchatel sprang in den Bügel,
Ihr Haar war blond und licht,
Der König sah Marie Duchatel,
Die andern sah er nicht.

Marie Duchatel sprang aus dem Sattel,
Und zur Kirche schritten sie hin,
Der König sah Marie Duchatel,
Viel mehr als die Königin.

Und eh` drei Wochen waren ins Land,
Da sangen sie laut und hell:
Was sind alle Mädchen am Hofe
Gegen Marie Duchatel.

Und eh` drei Monde waren ins Land,
Da sangen sie, groß und klein:
Ach, ohne Marie Duchatel
Könnten wir gar nicht sein.

Marie Duchatel, Marie Duchatel,
Wolle nicht in den Garten gehn,
Der König ist da, und die Nacht ist nah,
Und du kannst nicht widerstehn!

Nun pflücket sie heimlich vom Klosterbaum
Und ringt ihre Hände wund,
Doch das Leben unterm Herzen
Wird lebendiger jede Stund`.

Und endlich hinaus zum Strande
Schleicht sie und trägt ihr Kind:
»Nun schwimme oder sinke!«
Flüstert sie in den Wind. -

Am andern Morgen läuft`s auf und ab:
»Wisset ihr, was geschah?
Marie Duchatel hat ein Kleines,
Und das Kleine ist nicht da.«

Und die Königin ruft Marie Duchatel,
Die zittert und kommt geschwind:
»Ich hörte zu Nacht was wimmern!
Sag an, wo ist dein Kind?«

»Ich habe kein Kind, Mylady,
Denket nicht so schlecht von mir,
Ich hatte Stiche und Schmerzen
Unterm Herzen hier.«

»Und hattest du Stiche und Schmerzen,
Wohlan, heut bist du gesund,
Bring mir meinen Mantel von Scharlach,
Wir reiten noch diese Stund`.

Wir reiten von Schloß Stirling
Bis Edinburg ohne Müh,
Und in Edinburg gibt`s Hochzeit
Morgen in aller Früh.«

Die Königin stieg zu Rosse,
Ihre Herren und Damen mit,
Sie ritten all im Trabe,
Marie Duchatel ritt im Schritt.

»Haltet an, liebe Herren und Damen,
Ich kann nicht folgen mehr!«
Sie hörten`s und sprengten weiter,
Sie ritt seufzend hinterher.

Und als sie kam zum Tore,
Da wußten sie`s schon in der Stadt,
Alle Mädchen und Frauen schluchzten,
Sooft sie gegrüßet hat.

»Was weinet ihr, liebe Frauen?
Kommt mit, es soll Hochzeit sein.« -
Sie schüttelten ihre Köpfe
Und traten ins Haus hinein. -

Am Nordertor, wo das Zollhaus steht,
Da saßen sie zu Gericht,
Sie war erst sechzehn Jahre,
Es konnte sie retten nicht.

Durchs Südertor, am andren Tag,
Ein Zug und ein Karren schlich,
Marie Duchatel wollte lächeln
Und weinte doch bitterlich.

Sie kamen an den Hügel:
»Leb wohl, liebe Königin,
Von deinen vier Marien
Geht eine nun dahin.

Oft hab` ich dich angekleidet
Und dir das Bett gemacht,
Daß es so kommen würde,
Das hab` ich nie gedacht.

Oft hab` ich dir mit Goldband
Dein Scharlachmieder gesäumt,
Von diesem Tag und dieser Stund`,
Ach, hab` ich nie geträumt.

Ihr Schiffer und ihr Matrosen,
Wenn ihr zu Schiffe geht,
Erzählt kein Wort in Frankreich
Von allem, was ihr nun seht.

Erzählt nicht meiner Mutter
Von dem Brett, auf dem ich stand,
Und nichts von meinem Tode
Und nichts von meiner Schand`.

Ach, meine arme Mutter,
Als in der Wieg` ich lag
Und du mich herztest und küßtest,
Wie fern war dieser Tag!«


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