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KIRSCHEN

- Gedicht von Hugo Zuckermann

KIRSCHEN

(Dem Jüdischen des S. Schneir nachgebildet)

Reifende Kirschen und knospende Mädchen
Mit Augen, tief dunkler als Schwarzkirschen sind;
Flink klettern die Mädchen am Kirschbaum und lachen,
Hell schimmern durchs Blattgrün die weißen Barfüßchen,
Knicks — knackt es im schmiegsamen jungen Gezweige.
Dicht fallen die Blätter, rasch jagen die Schatten,
Und alles im tollenden Wirbel muß lachen.
Gesegnet mit Frucht ist der uralte Garten
Und lächelt sein breites, rotbackiges Lächeln;
Gar schelmisch neckt jede Frucht suchende Augen,
Die Augen, tief dunkler als Schwarzkirschen sind.
Hoch schlüpfen die Mädchen durch Äste und Zweige,
Wirr schlingen sich flatternde Locken und Blätter,
Und faltige Röcklein um bräunliche Stämme.
Ein Rütteln am Baume, dann regnet es Kirschen
Und flammende Blicke von Wipfel und Krone —
Da stehst du tief unten verwirrt und verwundert
Und weißt nicht, was sollst du behender erhaschen,
Ein Kirschlein oder glutäugige Blicke.
Willst kosten ein Kirschlein, erstickt dich das Lachen,
Du lachst ohne Grund, ohne Will` und Gedanken,
Es blüht das Gelächter, es sprudelt wie Springbrunn`,
Und rauscht wie das wogende Laub vor dem Winde.
Hoch blau lacht der Himmel, Gott selber muß lachen,
Der greisgraue Gott aus dem Wolkengekringel —
Ha ha ha ha ha — und die Mädchen dort unten,
Ha ha ha ha ha — dann prasselt ein Hagel,
Ein roter, ein weißer, ein duftender, süßer,
Und tänzelt im Gras wie auf Polstern von Sammet.
Heil Kirschen, o Kirschen!
Hei! Junge, was träumst du, da hüpft sie, dein Mädel
Vom Baume herab, wie ein Wiesel so hurtig.
Wie leuchtet das Füßlein, das schämig im Gras sich
Will bergen, verraten vom flatternden Röckchen.
Da eilst du ihr nach und willst sie erhaschen,
Du läufst wie im Spiel und meinst es gar ernsthaft.
Zertretener Wermut berauscht die Gedanken,
Sein bitterer Duft lockt dir gaukelnd die Sinne.
Du trittst in die Beete, du stampfst über Rosen;
Was kümmert es dich denn, da vorn` läuft dein Mädel,
Ihr bebender Leib ist viel zarter als Blumen.
Mit kirschensaftschmatzendem Mund mußt du lachen:
So warte doch Kleine, so wart` doch ein Weilchen.
Und bittest im Stillen: lauf weiter, lauf weiter.
Hoch klopfen die Herzen und ringsum wird`s stiller.
Nun bist du der Jäger und sie ist das Rehlein,
Ein Reh mit erschreckten, hilfsuchenden Augen
Verirrt sich in dunkelnde, kühle Alleen,
Und müde und trag` sind die eilenden Schritte.
Ein Sprung und du faßt sie, wild hebt sich ihr Busen
Und kost mit den weichen batistenen Falten.
Sie duftet von Kirschen und taufrischer Jugend,
Von harzigen Zweigen und blutwarmem Körper.
Ringsum stehen Pappeln, die Hüter des Gartens,
Wie heilige Priester in grünen Talaren,
Die Äste wie segnend zum Himmel erhoben,
Und beugen sich betend und beten im Herzen:
Gib Sonne dem Garten, gib leuchtende Sonne.
Dort schaukelt so langsam an uralten Bäumen
Die Häng`matte sich und wiegt alte Träume
Voll Sehnsucht. Was zögerst du, törichter Bursche!
Die Pappeln werden`s ja keinem verraten,
Ein Kuß auf die glühenden, bebenden Wangen!
Ein Kuß auf die großen, hilfsuchenden Augen!
Die Augen, tief dunkler als Schwarzkirschen sind,
Sie stellt sich wie böse, verziehet das Mündchen,
Es legt eine Falte von kindischem Trotzen
Sich zwischen die kindlich geschwungenen Brauen.
Da faßt du sie fester und siehst nicht ihr Zürnen,
Ein Kuß auf das schmollende Mündchen, aufs Hälschen!
Ein Kuß dort — zwischen die fliegenden Zöpfe!
Dort ist es so warm, ach, dort ist es so wohlig,
Wie unter dem Flaume des Taubengefieders.
Dann läßt du sie los; sie ist müd, sie ist durstig,
Und du blickst um dich, unschlüssig — verlegen,
Und siehst nur ihr fieberndes purpurnes Öhrchen.
Du beißt bei dem Küssen in samtweiche Kirschen:
O süß sind die Kirschen; wie duften die Kirschen!
Die Welt ist voll Kirschen!


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