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Der Seuche Nachtfahrt

- Gedicht von Max Haushofer

Der Seuche Nachtfahrt

(Die Cholera im Jahre 1854)

Es war in einer Nacht, mir unvergeßlich,
Als ich auf ödem Steingebirge stand
Und trüb hinuntersah, wie unermeßlich,
Wie bleiernschwer dalag das weite Land.

Die Sternenengel schwiegen und verhüllten
In düstre Wolken ihre traute Pracht,
Und um versteinte Wettersichten brüllten
In wildem Spiel die Kinder alter Nacht.

Da sah ich, wie beim fahlen Blitzesscheine
Jach eine wilde Höllenfahrt begann,
Ein grauenhafter Zug von Bein an Beine,
Der halb lebendig durch die Wolken rann.

Es bog herein um schwarze Felsenmassen,
Umweht von eines fernen Süden Brand,
Und sah mich grausig an, als wollt`s mich fassen,
Und sauste weiter in das dunkle Land.

Erst auf dreibeinigem, gespenst`gen Rosse
Mit Gluthenaugen fährt ein Riesenweib
Voran dem heulenden, dem langen Trosse,
Und wahrwolfsfarbig ist ihr grauser Leib.

Gift streut sie aus mit nimmermüden Händen,
Und wo die Tropfen brennend fallen, gellt
Aus heißer Gluth bis an des Himmels Enden
Ein Schrei des Elends schneidend durch die Welt.

Und wo die Tropfen brennend fallen, heben
Entfleischte Bilder sich mit wildem Sang
Aus off`nen Gräbern hohlen Aug`s und schweben
Dem Znge nach — der wächst unendlich lang.

Da floh ich schaudernd durch die Felsenwände
Tief in die Bergeswelt, thalans, thalein;
An eines stillen Hochthals grünem Ende
Ist mir`s gelungen, wieder froh zu sein.

Doch hört` ich eine grauenhafte Kunde,
Wie draußen alles Volk hinstarb im Land —:
Da dacht` ich jener unvergessnen Stunde,
Wo ich inmitten all` der Schrecken stand.


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