A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z


zurück zu Heinrich Seuse

Ich bin köstlicher Freude Thron..

- Gedicht von Heinrich Seuse

Ich bin köstlicher Freude Thron..

(Die ewige Weisheit:)

Ich bin köstlicher Freude Thron,
göttlichen Heiles Kron,
meine Augen sind so hell,
mein Mund so zart,
meine Wangen so glänzend und rosenrot,
meine Gestalt von so schöner, so herrlicher Art;
selbst wenn ein Mensch
bis an den Jüngsten Tag
in einem glühenden Ofen blieb,
damit ihm nur einmal ein Blick von mir würde,
so wäre der dennoch unverdient.

Sieh,
ich bin so köstlich
mit leuchtendem Gewande geziert,
so herrlich umgeben
mit blumiger Buntheit
blühender Blumen,
roten Rosen,
weißen Lilien,
schönen Veilchen
und manch anderen Blumen,
daß alle schöne Maienblüte,
alle grünen Sträucher heller Auen,
aller Heiden zarte Blumen
gegenüber meiner Pracht nur rauhe Disteln sind.

In der Gottheit spiel ich der Freude Spiel,
den Engeln wird davon der Freude so viel,
daß tausend Jahr (nach der Menschen Uhr)
ihnen sind wie ein kleines Stündlein nur.
Voll steten Wunderns die himmlische Schar
blicket nach mir, nimmt meiner wahr.
Ihre Augen sind in die meinen gesenkt,
ihr Herz stets auf mich hingelenkt.
Ihre Seel, ihr Sinn ohn Unterlaß
in Seel mir und Sinn gebeugt.

Wohl dem, dem solcher Liebe Spiel,
klingt süßer als aller Engel Gesang,
der Freude Tanz in himmlischem Heil
an meiner Seite und schöner Hand
in sorgloser Freude wird ewig zuteil.
Ein einzig Wörtlein aus meinem Munde
klingt süßer als aller Engel Gesang,
als jeglichen Saitenspiels Lieblichkeit,
als aller Harfen süßer Klang.

Ja, schau her,
meine Liebe ist so traut,
meine Umarmung so liebevoll,
mein Kuß der lauteren liebenden Seele so anmutig,
daß alle Herzen sich verlangend
nach mir sehnen sollten.

Zart bin ich,
schmiege mich an
und bin einer lauteren Seele allzeit gegenwärtig.
In Verborgenheit wohne ich ihr bei Tisch und beim Gebet,
auf Wegen und Stegen bei.
Ich wende mich hin und her.
Nichts mißfällt an mir;
in mir ist all das,
was nach Herzenswunsch wohlgefällt,
nach dem Verlangen der Seele.

Sieh, ich bin also ein gar köstliches Gut;
wem dennoch in dieser Zeit
ein einziges Tröpflein von mir zuteil wird,
dem wird jede Freude,
jedes Vergnügen dieser Welt bitter,
alles Gut, alle Ehre zum Abscheu
und zur Geringschätzung.

Meine Geliebten
sind von meiner Zuneigung umgeben
und hineingezogen in das einzig Eine
ohne die Gestalten der Liebe,
ohne gesprochene Worte
und werden erlöst und verschmolzen in das Gut,
aus dem sie ausgeflossen sind.

Meine Liebe kann auch anfangende Menschen
von der schweren Sündenlast befreien
und ein freies,
wohlgemutes, lauteres Herz geben
und ein reines straffreies Gewissen.

Sag mir, was ist in aller Welt,
was solche Gabe aufwiegen könnte?
Diese ganze Welt könnte
ein solches Herz nicht aufwiegen,
denn der Mensch,
der nur mir allein sein Herz zuwendet,
lebt köstlich,
stirbt zuversichtlich,
hat hier bereits das Reich der Himmel
und besitzt es dort ewiglich.

Sieh, nun habe ich viel Worte zu dir gesprochen,
aber in meiner liebevollen Schönheit
blieb ich davon ebenso unberührt
wie die Himmelsfeste von deinem kleinen Finger,
denn kein Auge hat sie gesehen,
kein Ohr davon gehört,
in keines Menschen Herz
ist je ein Bild von ihr gedrungen.
Doch dies sei dir gesagt,
um meine gütige Liebe
von falscher vergänglicher zu unterscheiden.

Der Diener:

Ach du feine,
du köstliche Blume des Feldes,
du liebes Herzenatraut
in den Umarmungen
der reinen liebenden Seele,
wie ist dies (alles) so bekannt dem,
der dich je recht empfand,
und wie ist das so fremdartig dem,
der dich nicht kennt,
des Herz und Sinn noch im Leiblichen befangen sind.
Auch du herzliebes, unbegriffenes Gut,
das ist eine schöne Stunde,
ein lieblicher Augenblick
und da muß ich dir
von einer verborgenen Herzenswunde sprechen,
die ich von deiner gütigen Liebe trage.

Herr,
Gemeinsamkeit in der Liebe
ist wie Wasser im Feuer;
du weißt, lieber Herr,
daß wirkliche, sehnende Liebe
keine Zweifel dulden kann.

Ach, schöner, einziger Herr
meines Herzens
und meiner Seele,
danach verlangt mein Herz
aus meinem Innersten heraus,
daß du mir ein besonderes Wohlgefallen,
eine eigene Liebe habest
und deine göttlichen Augen
mich mit ausgezeichneter
erfreuter Zufriedenheit anblickten.

Ach, Herr,
du besitzest so viele Herzen,
die dich herzlich lieben
und viel dir vermögen,
wie steht es da mit mir?


Anzeigen