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Die Purpurschnecke

- Gedicht von Otto Julius Bierbaum

Die Purpurschnecke

    Wie eine Schnecke, träge, langsam, schleicht das `Glück`...
    Mit wartendem, klopfendem Herzen steht der Mensch und breitet in Qual und Angst die Arme aus und schreit zum Himmel: `Oh komm, komm endlich, löse mich, löse mich aus Fesseln und Banden, - ein Glückeslächeln, ein einziges nur, es würde mein Herz erwärmen mit lachendem Leuchten, wie Maiensonne nach Winters Frost die starre Erde!`....
    Er wartet und fleht lange, lange, und müht sich ab im Geschirr des Lebens, und keucht und keucht, gebunden, gepeitscht,- - möchte vorwärts: hinauf! hinauf! wo es strahlt und lächelt das Schöne, Ruhige, Klare, immer Ersehnte...
    Aber das Glück, kein stürmischer Engel, ach, kein gütig gewährendes Weib, aber das Glück, die purpurne Schnecke, rückt nur mühsam, in langen Fristen, wenige Schritte vor.... und ihre träge gedrehten Fühler tasten kalt an eine starre, augenleere Leiche im Grabe.
    Verfluchte Schnecke, o faules Glück! Indess du deinen schleimigen Weg lautlos vorwärts schlichest: da stob, brauste, wütete, raste mit Heulen, gewaltig schnelle, mit Sturmes Mächten von allen Seiten die Schaar der Furien los auf den Armen. Die dürren Weiber! Die dürren Weiber! Hexengestöber, grimmig jauchzendes..
    Mit ihren Geisseln schlugen sie ihn, mit ihren Schlangen schreckten sie ihn, mit ihren modrigen Blicken trieben sie ihn durch bange Verzweiflung und Wahnsinnsnacht in den Tod.
    Ein gehetztes, verendetes Wild - im Grab stumm liegt er nun: im Nichts, im friedevollen, unbelebten Nichts ward ihm das Glück.....
    Die dunkelrothe Purpurschnecke kriecht über sein Grab, lautlos...


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