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Die klugen Studenten - Märchen von Klara Stroebe: Nordische Volksmärchen


Die klugen Studenten

Es waren einmal drei junge Leute, die waren auf der hohen Schule, aber sie waren arm und da ging ihnen das Geld zu früh zu Ende, und sie konnten auf gar keine Art aus eigenen Mitteln fertig studieren. Sie baten schließlich ihre Lehrer, ob sie nicht auf den Pfarrhöfen und Herrenhöfen und Küstereien eine Zeitlang herumziehen dürften, um solche mitleidigen Seelen um Hilfe und Unterstützung anzugehen, damit sie fertig studieren könnten. Es wurde ihnen auch erlaubt, und sie zogen ihres Weges.

An einem der ersten Abende kamen sie an ein Wirtshaus und wollten Unterkunft haben. Der Wirt war freundlich und nahm sie gut auf, als er hörte, wie es mit ihnen stand, und sie blieben über Nacht da. Als sie nun am Abend noch plauderten, sagte der Wirt: »Wenn ihr schon so viel studiert habt, so habt ihr gewiß allerhand gelernt, was andere Leute nicht können?« – »Ja freilich«, sagten sie, es sei schon so.

»Da könntet ihr wohl heut abend meinen Söhnen das eine und das andere erzählen, das ist ihnen vielleicht von Nutzen.« Das wollten sie gerne, sagten sie. Der Wirt hatte drei Söhne, und sie freuten sich sehr, daß sie den drei Studenten zuhören durften, und als der Morgen kam, wollten sie die drei kaum fortlassen. Sie sprachen mit ihrem Vater und baten ihn, die drei noch einen Tag länger zu behalten.

Als nun die Studenten zum Frühstück kamen, fingen sie davon an, sie wollten sich wieder auf den Weg machen und ihr Nachtlager bezahlen, aber viel hätten sie nicht im Beutel. Das verstand der Wirt recht gut, nach der Art zu urteilen, wie sie herumzogen. Er sagte nun, seine Söhne hätten solchen Gefallen an ihnen gefunden, daß sie sie gerne noch einen Tag behalten möchten. Das könnten sie nicht, sagten die Studenten, denn ihr Geld reiche nicht für so langen Aufenthalt in Wirtshäusern.

»Darum braucht ihr euch gar nicht zu sorgen«, sagte der Wirt, »wenn ich euch bleiben heiße, so könnt ihr euch doch denken, daß ich nichts von euch annehme.«

Also blieben die Studenten bis zum nächsten Tag und ließen sich's wohl sein, und die jungen Leute hatten großen Spaß mit ihnen. Als sie nun weiterziehen wollten, gab der Wirt jedem von ihnen fünf Dukaten; das war ihnen schon ein schöner Brocken, und weiter sagte er, er könne sie auf einen Herrenhof weisen – ich weiß nicht, wie weit er entfernt war –, da wohne ein junger Herr, er sei nicht verheiratet, habe aber große Lust, sich mit solchen studierten Leuten zu unterhalten. »Ja, den wollen wir schon besuchen«, sagten die Studenten und wanderten auf den Hof zu.

Eine Weile nach Mittag kamen sie dort an und gingen in die Küche, wo die Haushälterin vor dem Herd stand. Sie fragten, ob der Herr daheim sei. Sie sagte ja, aber er schlafe eben; wenn sie ein wenig Platz nehmen wollten, so werde sie mit ihm reden.

Als sie ein wenig gewartet hatten, ging sie hinein und erzählte dem Herrn, so und so, es seien drei junge Leute in der Küche. Er kam dann zu ihnen heraus und fragte, was sie seien, und was sie wollten. Sie sagten ihm die reine Wahrheit, sie seien drei Studenten und zögen herum und bäten um eine kleine Unterstützung, damit sie fertig studieren könnten. Als der Herr das hörte, ließ er sie eintreten und lud sie zu einem Imbiß ein, die Haushälterin sollte etwas herrichten, und er wolle inzwischen bei ihnen bleiben und sich mit ihnen unterhalten. Und er ging hinaus und hieß die Haushälterin ein Schwein an den Spieß stecken, denn er wollte ein stattliches Abendessen geben, da er solche Gäste hatte.

Die Haushälterin hatte nun gehörig Arbeit, um die Mahlzeit herzurichten, und als sie drinnen war, um den Tisch zu decken und das und jenes in der Stube in Ordnung zu bringen, sollte das Küchenmädchen auf den Braten achtgeben. Aber das ging hinaus und holte Brennholz; und sie hatten einen großen Bullenbeißerhund, der lief in die Küche und fraß das halbe Schwein auf, während das Mädchen draußen war. Als die Haushälterin wiederkam, wurde sie furchtbar böse, und das Mädchen war ganz verzweifelt über das Unglück. Sie wagten es gar nicht, es dem Herrn zu sagen. Nun hatte sich ein kleiner fremder Hund schon einige Tage im Hofherumgetrieben, und sie wußten nicht, wo er hingehörte, aber er war schön fett. Da kam das Küchenmädchen auf den Gedanken, man könne ihm die Haut abziehen und ihn an den Spieß stecken und ihn statt des Schweines auf den Tisch bringen. Der Vorschlag leuchtete der Haushälterin ein, und in einem Augenblick hatten sie dem Hund den Garaus gemacht.

Inzwischen unterhielt sich der Herr mit den drei Studenten. Er sagte: »Wenn ihr schon so viel studiert habt, so versteht ihr euch doch gewiß auch auf besondere Künste, auf Erscheinungen und solche geheimnisvolle Sachen?« – »Ja, freilich«, sagten sie, »ein wenig schon, wir haben noch nicht viel von derartigen Sachen gehört, aber ein wenig verstehen wir uns doch darauf.« – »Ich sehe genau, was für eine Sorte Essen ich bekomme, ob es echt ist oder verfälscht«, sagte der eine. – »Und ich sehe an allem, was ich trinke, ob der Trank echt ist oder nicht«, sagte der zweite. Und schließlich sagte der dritte, er könne sehen, unter was für Leuten er sei, ob sie ehrlich geboren seien oder nicht.

Ja, das sei schon eine Wissenschaft, sagte der Herr.

Nun war das Essen fertig, und es war an der Zeit, sich zu Tisch zu setzen. Der Braten wurde aufgetragen, und er duftete ausgezeichnet und sah prächtig aus. Der Herr hieß sie, sich bedienen, aber der, der dem Essen ansah, ob es echt sei oder nicht, der wollte nicht den kleinsten Bissen essen. Die anderen sagten, es sei doch schade, daß er nicht essen wolle, aber er sagte nur, er wolle lieber ein Stück Butterbrot haben.

Als sie nun zu Tisch saßen, hieß der Herr seinen Diener in den Keller gehen und drei Flaschen Wein vom größten Faß holen, darin sei der beste Wein, den er besitze, sagte er. Der Diener kam auch mit den Flaschen und jedem wurde sein Glas voll geschenkt. Aber der, der die Getränke kannte, der wollte den Wein nicht versuchen. Darüber wunderte sich der Herr sehr. Nun hatten sie doch seinen besten Wein vor sich, und er mußte denken, daß sein Essen und sein Wein nicht in Ordnung seien.

Schließlich mußten sie auf die Gesundheit des Herrn trinken – wahrscheinlich in Branntwein, ich weiß es aber nicht –, und sie sollten mit dem Wirt anstoßen. Aber der dritte Student, der merkte, unter was für Leuten er sei, wollte nicht mit anstoßen. Da war der Herr halb und halb gekränkt und dachte im stillen: ›Wenn ihnen mein Essen und mein Getränk und ich selber nicht gut genug sind, so soll der Teufel solche Gäste sich zu Tische laden. Das ist doch zu wunder lich!‹

Als die drei Studenten ins Bett wollten, wurde ihnen eine Kammer mit drei Betten zugewiesen. Aber der Herr war nun fürchterlich neugierig und wollte hören, was sie miteinander redeten, wenn sie unter sich wären; denn er dachte sich, sie würden wohl über das sprechen, was am Abend vorgefallen war, und er könne herausbringen, was an seinem Braten und an seinem Wein und an ihm selber nicht in Ordnung sei. Also schlich er bald nach ihnen auf den bloßen Strümpfen hin zur Kammertür.

Kaum war die Türe zu, so sagten die zwei anderen zum ersten: »Warum hast du denn nicht von dem schönen Braten gegessen, er schmeckte so gut!« Er habe keine Lust, Hundebraten zu essen, gab er zur Antwort. Das hörte der Herr.

Dann sagten die beiden andern zum zweiten: »Es war so schade, daß du nicht von dem guten Wein hast trinken wollen, es war ein starker Wein.« Nein, er habe keine Lust nach Wein, in dem Kinder ertrunken sind, gab er zur Antwort. Das hörte der Herr auch.

»Es war aber wirklich gar nicht recht von dir, daß du nicht aufs Wohl des Herrn trinken wolltest«, sagten die beiden anderen zum dritten. »Er war doch so freundlich gegen uns.« »Ja, in einer Art hätte man schon denken können, es sei ein Unrecht«, sagte er, »aber es paßt sich nicht für unseren zukünftigen Stand, mit einem Bastard anzustoßen.«

Als der Herr das auch noch gehört hatte, hatte er genug. Er dachte, den beiden ersten Dingen könne er wohl auf die Spur kommen, aber der dritte Punkt, der war nicht so einfach.

Das erste, was er tat, das war, daß er hinunter in die Küche ging und so lange im Guten und im Bösen auf die Mädchen einredete, bis sie endlich zugaben, einen Hundebraten auf den Tisch gebracht zu haben. Er hatte ihnen versprechen müssen, daß sie ohne Strafe ausgingen, wenn sie nur die Wahrheit sagten.

Dann ging er und hieß den Diener ein Licht anzünden und mit ihm in den Keller gehen, und da ging er auf das große Faß zu, zog den Spund heraus und fuhr mit einem Sucher bis auf den Grund. Ganz richtig, er fischte mit dem Sucher ein Kind herauf, ein nacktes Kind, das in dem Faß ertränkt war. Nun war er also sicher, daß die beiden ersten Teile stimmten, und nun war es ihm noch darum zu tun, auch in den dritten Spruch Licht zu bringen.

Seine Mutter lebte noch und wohnte auf einem anderen kleinen Hof einige Meilen entfernt. Aber er wollte die Sache bis zum folgenden Tag aufschieben, und in der Nacht überlegte er, wie er es schlau anfangen könnte, um das dritte Ding auch noch zu erfahren.

Am Morgen kamen die Studenten zum Frühstück und ließen es sich wohl sein. Da sagte der Herr zu ihnen, ob sie nicht Zeit hätten, noch einen Tag zu bleiben. Sie dankten sehr, sie hätten es ja wunderschön hier und wollten gern bleiben. Er wolle heut über Tag verreisen, sagte der Herr, aber am Abend komme er wieder zurück, und da wolle er sie gerne noch treffen, sie sollten sich indessen die Zeit vertreiben, so gut sie könnten.

Nun hatte der Herr eine Schwester, die war mit einem Pfarrer verheiratet, sie wohnten einige Meilen entfernt, und die wollte er erst besuchen. Er fuhr mit Kutsche und Diener nach dem Pfarrhof, und der Pfarrer und seine Frau kamen heraus und nahmen ihn mit aller Höflichkeit und Freundlichkeit auf. Er sagte, eigentlich wolle er gerne mit seiner Schwester unter vier Augen sprechen. Ja, das könne er ja leichtlich, sagten sie. Er trat ein und wurde mit Backwerk bewirtet, wie es sich gehört, und dann ging er mit seiner Schwester in eine Kammer. »Willst du mir den Dienst erweisen«, sagte der Herr, »und mir deine Pferde und Wagen und Burschen und Diener leihen anstelle des meinigen? Aber das ist noch nicht alles, ich möchte auch gerne deine Kleider entleihen, hilf mir, sie anzulegen.«

»Was!« sagte sie, »was soll denn das bedeuten?«

Das wolle er ihr später sagen. Da gab sie ihm auch die Kleider, und er zog sie an. Es traf sich sehr gut, daß er ein kleiner Mann war, da paßten ihm die Kleider recht gut. Zudem waren sich die beiden Geschwister gar nicht so unähnlich.

»Aber wo willst du denn hin?« fragte die Schwester.

Ja, er wolle zur Mutter, sagte er. Seine Leute und sein Wagen sollten hierbleiben, bis er zurück sei, und dann wolle er ihr auch richtig Bescheid sagen über die ganze Sache.

Also fuhren sie im Gefährt des Pfarrers davon, und als er in den Hof seiner Mutter einbog, da saß die Alte am Fenster. Sie sah gleich, daß es der Wagen der Tochter war, und lief hinaus, um sie in Empfang zu nehmen. Sie begrüßten sich, und die Alte faßte die Tochter unter den Arm, und sie taten einander sehr schön. Sie saßen und plauderten, während das Hausmädchen Wasser zum Tee heiß machte. Da sagte die Alte: »Nun, wie geht es dir?«

»Ach danke, so so«, sagte die Junge.

»Wie, ist dein Mann nicht gut gegen dich?«

»O doch, sehr«, sagte die Junge.

»Aber«, sagte die Mutter, »es ist etwas nicht in Ordnung mit dir, ich sehe doch, daß du nicht froh bist.«

Die Junge wollte nicht recht mit der Sprache heraus.

»Du mußt es mir sagen, ich sehe ja doch, daß etwas fehlt«, sagte die Mutter eindringlich.

»Ja, Mutter«, sagte die Tochter und druckste an der Antwort herum, »Ihr wißt doch, daß wir keine Kinder haben.«

»Ach was«, sagte die Alte, »du solltest es machen, wie ich es gemacht habe, Mads, der Viehpfleger, ist deines Bruders Vater.« Da hatte denn der Herr die Perücke voll und war rasch mit dem Besuch fertig. Als er wieder in den Pfarrhof kam, tauschte er seine Kleider und seinen Wagen wieder ein und fuhr heim und wußte nun, was er hatte wissen wollen.

Nun standen die Studenten sehr hoch in seiner Achtung, denn sie hatten bewiesen, daß sie tüchtige Leute waren und daß an ihren Reden etwas dran war. Als sie nun am dritten Tage weiterziehen wollten, gab er jedem von ihnen zwanzig Dukaten als Reisepfennig und wies sie an Orte, wo sie gewißlich reichliche Unterstützung bekommen würden. Eine Zeitlang darauf wanderten sie wieder zurück an die hohe Schule, denn nun hatten sie so viel zusammengebracht, daß sie fertig studieren konnten. Schließlich kamen sie von der Schule weg und in eine Pfarrei und wurden alle tüchtige und kluge Pfarrer.


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