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Das Krachenmannli - Märchen von Dietrich Jecklin: Volksthümliches aus Graubünden


Das Krachenmannli

Zwischen den Gemeinden Peist und Langwies steht ein langer Streifen Wald, der »Mattenwald« genannt, der vor vielen Jahren Peist angehörte.

Die von Langwies machten nun Ansprüche auf den Wald, die Peister behaupteten ihr altes Recht, es brachen arge Streitigkeiten aus, und die Gemeinden gingen mit einander vor Gericht.

Zu ihrem Leidwesen bemerkten die von Langwies, daß der Prozeß für sie faul werden sollte, und da trat ein Mann aus ihrer Mitte hervor, der schwörte einen falschen Eid. Er hatte einen Löffel unter den Hut und Erde in die Schuhe gethan, und that den Schwur: »So wahr ich den Schöpfer über meinem Haupte und Erde unter meinen Füßen habe, so wahr gehört der Wald uns.« – Kaum hatte er dieß gesagt, fiel er, wie vom Blitze getroffen, zu Boden, wurde kohlschwarz und gab seinen bösen Geist auf.

Seither muß dieser Mann im Walde »geisten«. Sobald die Abendglocken den Thalbewohnern Ruhe vom Tagewerk verkünden, muß er in der Mitte des verrufenen Waldes am Wege von Peist nach Langwies, langsamen Schrittes auf und ab gehen, bis am Morgen, wenn die Glocke den Tag wachruft. Bald ist er ein kleines winziges Mannli, bald ein Riese mit feurigen Augen und Zähnen, trägt kurze Hosen, einen langen Frack und einen großen Hut, wie man es zu seiner Zeit getragen. Auch kann er sich in ein Thier verwandeln. So verwandelte er sich einmal in eine Kuh und verlockte in dieser Gestalt einen Hirten, der ein verirrtes Rind suchte, weit ins Gebirge hinauf, bis auf einen Felsen im Mattenwalde, »Krachen« genannt. Dort stand plötzlich das Mannli vor ihm und lachte höhnend laut auf und verschwand.

Der Hirte kehrte scheltend und ärgerlich nach der Hütte zurück, wo er das verlorne Rind mit zwei Ketten angebunden, wieder fand.


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