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Msiwanda - Märchen von Carl Velten: Märchen und Erzählungen der Suaheli


Msiwanda

Ein Sultan hatte sieben Kinder, das eine hiess Salem, das andere Sleman, ein anderes Nasur, dann Said, Hemedi und Abdallah und das letzte Msiwanda, das war das jüngste; sein Name war Msiwanda.

Die Kinder blieben im Hause, bis sie erwachsen waren. In ihrem Hofe stand ein grosser Baum, nämlich im Hofe von ihres Vaters Haus. Da kam ein Vogel und liess sich auf jenen Baum nieder; sein Gesang war sehr schön. Der Vater war drinnen im Hause während seine Kinder alle nach ihren Wohnungen gegangen waren, nur der jüngste war zurückgeblieben. Als er nach jenem Vogel hinschaute, fürchtete sich dieser, flog auf und davon und liess eine Feder fallen. Der Knabe las sie auf, brachte sie seinem Vater und sprach: »Vater, heute ist ein schöner Vogel gekommen und hat sich auf diesen Baum gesetzt.« »Wo ist seine Feder?« fragte dieser. Er erwiderte: »Hier ist sie«. Der Vater schaute sie sich an und fand sie in Wirklichkeit sehr schön. Dann rief er seine Kinder zusammen und sprach zu ihnen: »Ihr seid meine Kinder, ich sende Euch aus, strengt Euch an, wenn Ihr meine Zufriedenheit wünschet, so gehet hin und bringt mir diesen Vogel.« Sie sprachen: »Wo sollen wir den finden, Vater? Es giebt viele Vögel von derselben Art; diesen, den Du willst, kennen wir nicht«. »Wie, Ihr widersprecht mir, Eurem Vater?« erwiderte er, »ich sende Euch aus, geht sofort und bringt mir diesen Vogel, damit Ihr meine Zufriedenheit erlangt.«

Als die Söhne sahen, dass die Sache ernst gemeint und unabänderlich sei, sprachen sie: »Schicke uns auf die Suche!« Er liess sehr viel Brot für die Reise zurechtmachen, gab einem jeden tausend Rupien, je einen jungen Sklaven und ein Pferd mit. Dann zogen sie aus, bestiegen ihre Pferde und machten einen Marsch von zwei Monaten, ohne den Vogel zu finden, sie sahen nur abwechselnd Wald und Steppe, aber einen bewohnten Ort entdeckten sie nicht.

Im dritten Monat fand der Aelteste eine Stadt und sprach: »Von hier gehe ich nicht wieder weg, und wenn die Zufriedenheit des Vaters davon abhängt ihm den Vogel zu suchen, so müsste ich diesen Vogel bekommen, aber es giebt viele Vögel, ich weiss nicht, wo der eine ist; und wenn das die Zufriedenheit einträgt, so möge sie mir abgehen. Ich bin hier, von hier gehe ich nicht wieder fort; und Ihr, wenn Ihr weiter ziehen wollt, so geht und fangt diesen Vogel.«

Die übrigen sechs zogen weiter, ihren Bruder liessen sie zurück. Sie gingen weitere zehn Tage und langten an einer ausgedehnten Steppe an. Sie betraten dieselbe und marschierten den ersten, den zweiten und den dritten Monat, dann war die Steppe zu Ende. Da sprach jener, der nach dem Aeltesten kam: »Meine Füsse schmerzen mich, ich bin hier in dieser Stadt angekommen, von hier gehe ich nicht wieder weg, ziehet Eurer Wege.«

So zogen ihrer fünfe weiter. Auch diese übrig gebliebenen konnten sich nicht enthalten nach jedem Marsche von zwei Monaten, wenn sie eine Stadt antrafen, zu lagern und dort zu bleiben. So sass in jeder Stadt einer, es war nur ihr jüngster Bruder, der als letzter geboren worden, übrig geblieben. Er sprach: »Nur ich allein trage die Schuld, denn als dieser Vogel kam, sich auf den Baum setzte und eine Feder fallen liess, da brachte ich sie dem Vater und der Vater liebte diese Feder sehr und sprach: ›Meine Söhne, wenn Ihr meine Zufriedenheit erlangen wollt, so müsst Ihr mir diesen Vogel verschaffen‹. So zogen wir nun alle aus mit unserer eigenen Zustimmung, um diesen Vogel zu fangen. Heute kann ich nicht anders, als den Vogel zu suchen und ihn meinem Vater zu bringen – oder aber zu sterben! Es sind bereits zwei Jahre verflossen und den Vogel haben wir immer noch nicht bekommen. Wohlan denn, meine Brüder, lebt wohl, ich ziehe weiter den Vogel zu suchen.« Dann brach er auf und ging.

Nach Verlauf von zwei Monaten traf er eine alte Frau, die am Wege in ihrem Hause wohnte. Er klopfte an und sie antwortete: »Wer bist Du?« Er erwiderte: »Ich, der Sohn eines Sultans.« »Wo gehst Du hin?« fragte die Alte. Er erwiderte: »Ich weiss weder wo ich hingehe noch von wo ich komme.« Die alte Frau sagte jedoch: »Ich habe bereits von Deiner Angelegenheit erfahren, denn Ihr seid Eurer sieben Leute ausgezogen, um einen Vogel zu suchen. Deine Gefährten haben sich alle niedergelassen, in jeder Stadt haben sie sich festgesetzt, nur Du bist gekommen den Vogel zu suchen. Du wolltest nicht bei ihnen bleiben, denn Du bist besorgt um die Zufriedenheit des Vaters; aber dieser Vogel ist hier nicht aufzufinden, ich weiss, wo dieser Vogel sich aufhält, das ist an dem Orte eines Sultans, der viele Soldaten, Kanonen und Gewehre hat.« Sie sprach weiter: »Ich werde Dir eine Andeutung machen. Wenn Du hörst ›binde ihn‹ oder ›schlage ihn‹, ›schlachte ihn‹, ›hänge ihn‹, ›wirf ihn ins Wasser‹ – dann schlafen diese Soldaten; wenn Du aber merkst, dass alles still ist und sie nicht sprechen – dann sind sie wach; wenn Du dann hingehst, werden sie Dich ergreifen und töten.« Der Jüngling sprach: »Gut, ich habe verstanden«; dann brach er auf.

Er ging weiter, sein Pferd und seinen Sklaven liess er im Walde und versteckte sie. Nur er allein brach auf und ging. Da hörte er, dass alles still war; dann kehrte er zurück und wertete etwas, da hörte er, dass sie laut schimpfend sprachen: »Bindet ihn«, »schlagt ihn«. Das kannte der Jüngling, denn es waren die Worte jener alten Frau. Er verweilte noch ein wenige dann ging er hin und betete zu Gott: »Lass mich sterben, oder errette mich!« Alsbald brach er auf.

Als er hinkam, schliefen sie und ihr Lärm – das war ihr Schlaf. Er schlich sich bis zur Stelle, wo der Vogel sass. Sein Herz klopfte ihm, am ganzen Körper zitterte er, so hatte ihn die Furcht übermannt. Dann ergriff er den Vogel an den Beinen; er hatte aber die Flügel losgelassen, so dass dieser anfing zu flattern. Die Soldaten erwachten, ergriffen den Jüngling, banden ihm mit Stricken die Hände auf den Rücken und sprachen: »Tötet ihn«; andere sagten: »Schlagt ihn«; noch andere: »Werft ihn ins Wasser, in diesen Fluss.«

Einige mitleidige Soldaten, die von Gott zu ihrem eigenen Heile dazu bestimmt waren, sprachen: »Lasst ihn doch, bringt ihn zunächst zum Sultan, damit er ihn sehe, denn es ist noch kein Mensch bis hierher gekommen, dieser ist vielleicht von Gott gesandt und deshalb ist er hierher gekommen.« Die Soldaten führten ihn zum Sultan.

Als ihn der Sultan sah, sprach er: »Deine Angelegenheiten sind mir bekannt, ich kann Dich nicht dafür bestrafen, dass Du die Zufriedenheit Deines Vaters erlangen willst, wenn er einen Vogel verlangt; aber jener Vogel gehört mir, dieser ist ein junger, da sind die Alten, die siehst Du nicht; wenn Du jedoch diesen Vogel haben willst, so schicke ich Dich zuvor aus, mir das Donnerschwert herzubringen.« Er sprach: »Wo ist es, Sultan?« »Ich weiss es nicht«, erwiderte dieser, »suche Du es.«

Der Jüngling brach auf und ging in den Wald, holte sein Pferd und seinen Sklaven, und sie zogen ihres Weges einen vollen Monat weiter. So entfernte er sich mit seinem Sklaven immer mehr. Als er nun in eine Stadt kam, ging er hinein und traf am Ende der Stadt eine alte Frau und sprach zu ihr: »Frau, ich will das Donnerschwert, wie bekomme ich es?« Sie sprach: »Du Jüngling, kennst Du denn keine Gefahr? Das ist das Schwert eines Sultans; wenn es ertönt, wirst Du getötet.« »O, wie werde ich es dann bekommen?« Jene Alte erwiderte: »Versuche den Eintritt in das Zimmer, dessen Thüre nach der Gebetsrichtung zeigt.«

Er ging hin und wartete, bis die Soldaten eingeschlafen waren. Sie sprachen gleichfalls »fesselt ihn, schlagt ihn, tötet ihn, werft ihn ins Wasser«, er aber verstand nach dem, was ihm die alte Frau früher gesagt, dass sie schliefen. Der Jüngling schlich sich, Furcht im Herzen und am ganzen Leibe zitternd, heran. Als er das Schwert fasste, vergass er es am Griffe zu fassen; er ergriff die Scheide, das Schwert fiel heraus und ertönte wie das Rollen des Donners rrrrrr, so dass die Soldaten erwachten. Sie ergriffen den Jüngling und fesselten ihn; die einen sprachen »tötet ihn«, die andern »bringt ihn zum Sultan.« Sie brachten ihn zum Sultan.

Als der Sultan ihn sah, sprach er: »Was ist Dein Begehr? fürchtest Du Dich nicht? Ich, der Sultan, könnte Dich töten, wenn ich wollte, es würde keiner danach fragen! Aber ich weiss, dass Du auf Befehl. Deines Vaters gekommen bist, einen Vogel zu suchen, und der Eigentümer des Vogels hat Dir gesagt ›bringe das Donnerschwert herbei, dann wirst Du den Vogel bekommen.‹ Du willst nun das Schwert von mir, gehe und hole mir zuerst die Trommel mit dem siebenfachen Klang.« Der Jüngling erwiderte: »Wo ist diese Trommel?« Er sprach: »Ich weiss es nicht, gehe hin und suche sie nur, bis Du sie bekommen wirst.«2

Der Jüngling ging hin, holte sein Pferd und seinen Sklaven und zog einen Monat weiter, ohne eine Stadt zu sehen; er war immer unterwegs. Im zweiten Monat sah er ganz in der Ferne eine Stadt liegen. Er näherte sich derselben und sah die Hütte einer alten Frau; bei dieser klopfte er an. Die Alte erwiderte: »Herein, was willst Du, oder wohin gehst Du?« Er sprach: »Ich weiss weder wo ich hingehe noch von wo ich komme.« Damit ging er weiter.

Jene Alte rief ihn jedoch und sagte: »Was Du willst, weiss ich, Du willst die Trommel mit dem siebenfachen Klang haben, aber wo wirst Du sie bekommen?« Er antwortete: »Ich werde sie bekommen oder ich werde sterben und sie nicht haben; wenn ich am Leben bleibe, werde ich sie auch erhalten.«

Da sprach sie: »Wohlan, so geh; wenn Du dort hinkommst, wirst Du Leute hören, die dasselbe sagen, wie die früheren, nämlich ›bindet ihn‹ oder ›tötet ihn‹, oder ›hängt ihn‹ – dann schlafen sie; hörst Du aber nichts und sie reden gar nicht – dann sind sie wach. Die Trommel hängt in der Empfangshalle. Wenn Du sie ergreifst, so fasse sie an dem Holzteil an, ergreife nicht das Fell; wenn Du das Fell berührst, wird sie tönen und die Soldaten werden erwachen, Dich ergreifen, fesseln und töten.«

Der Jüngling brach auf und begab sich zur Stadt Um die sechste Stunde abends betrat er allein die Stadt, sein Pferd und seinen Sklaven hatte er im Walde zurückgelassen. Als er hörte »bindet ihn, schlagt ihn, tötet ihn«, da wusste er, dass sie schliefen. Er schlich sich nun in das Haus des Sultans und ergriff die Trommel. Er vergass jedoch, sie am Holzteil zu erfassen, ergriff das Fell selbst und die Trommel ertönte. Sofort erwachten die Soldaten, ergriffen und banden ihn und schleppten ihn vor den Sultan.

Der Sultan sprach zu ihm: »Wer hat Dich ausgesandt meine Trommel zu holen? Hast Du denn keine Angst, fürchtest Du Dich nicht? Wenn es mir, dem Sultan, gefällt, so wirst Du getötet.« Der Jüngling erwiderte: »Ich weiss, dass Du ein grosser Sultan bist, wenn ich Dich nicht fürchtete, wen sollte ich denn fürchten? Aber dort, von wo ich herkomme, traf ich mit vielen Sultanen, Deinesgleichen, zusammen, und es wurde mir gesagt, Du erhältst nichts, ausser Du bringst die Trommel mit dem siebenfachen Klang herbei. So bin ich der Trommel nachgegangen.« Der Sultan sprach: »Wenn Du die Trommel willst, so schaffe mir die binti3 Sanabu herbei; bringst Du mir diese, so werde ich Dir die Trommel geben und Du kannst sie mitnehmen.« Da sprach er: »Wo ist die binti Sanabu?« »Dort ist eine Stadt«, erwiderte jener, »die heisst haji mtu kwa shari4, wenn Du da hingehst und die binti Sanabu bringst, wirst Du selbst Freude erleben, aber Du musst ein Schiff besteigen und dieses Schiff werde ich Dir geben.« »So gieb es mir!« Und er gab ihm ein Schiff.

Der Jüngling sprach zum Sultan: »Ich bitte um die Erlaubnis, mein Pferd und meinen Sklaven mitzunehmen.« Er sprach: »So gehe hin.« Er ging in den Wald, holte sein Pferd und brachte es bis zum Sultan. Der Sultan sprach: »Bringe Dein Pferd hier in diesen Stall, Deinen Sklaven nimm mit Dir mit.« Der Jüngling sprach: »Ich bitte, dass Du mir von diesen wie Gold schimmernden Perlen ins Schiff mitgiebst.« Er lud ihm so viele ein, bis das Schiff beladen war, dann wurden die Anker gelichtet und das Schiff fuhr ab und ging sieben Tage lang, Tag und Nacht.

Am vierzehnten Tage um die dritte Stunde am Tage entdeckte er Land und steuerte darauf zu, bis er anlangte. Dann warf er Anker und löste einen Kanonenschuss. Er blieb an Bord. Am zweiten Tage gab er seinen Matrosen ein wenig Perlen mit und sagte: »Nehmt sie mit in die Stadt und zeigt sie den Frauen.« Die Perlen waren alle von einer Sorte. Sie nahmen sie mit, während der Jüngling selbst an Bord des Schiffes blieb; in der Stadt verkauften sie die Perlen.

Da erschien eine Sklavin und sprach: »Lass diese Perlen sehen, ich möchte sie mir anschauen.« Der Matrose erwiderte: »Schaue sie Dir an, denn ich verkaufe ja, wie sollte ich den Gedanken hegen und den Leuten verweigern sie anzusehen, ich wünsche es vielmehr, ich will Geld verdienen.« Sie sprach: »Ich werde sie meiner Herrin mitnehmen, damit sie sie sehe.« Er sprach: »Nimm sie, aber ich werde Dir bis unten zum Hause folgen und Dich dort erwarten.«

Die Sklavin nahm die Perlen mit sich und stieg hinauf zu ihrer Herrin. Sie zeigte sie und sprach: »Herrin, sieh Dir diese schönen Perlen an.« »Zeig her«, sprach diese und besah sie sich, probierte sie, legte sie um den Hals und passte sie um die Hand und fand sie sehr schön und sprach; »Wo hast Du sie bekommen?« Die Sklavin erwiderte: »Gestern ist ein Schiff mit viel Perlen gekommen und die Matrosen verkaufen sie; einer von ihnen steht gerade unten.« »So rufe ihn«, sprach sie. »He, Du mit den Perlen, komm, die Herrin ruft Dich.« Er fragte: »Welche Herrin?« Sie antwortete: »Meine Herrin, die binti Sanabu!« »Gut, so wollen wir hingehen«, erwiderte er.

Sie gingen bis nach oben, da sah er jene Herrin und sie sprach zu ihm: »Habt Ihr viele von diesen Perlen im Schiffe?« Er sprach: »Viele, aber rufe doch unsern Kaufmann und verhandle mit ihm selbst.« »Wo ist er?« fragte sie. Er antwortete: »Er ist dort auf dem Schiffe.« »So gehe hin und rufe ihn«, erwiderte sie.

Er ging hin und rief jenen Jüngling und sprach zu ihm: »Du wirst von einer Frau gerufen, es ist die Tochter des Sultans, die binti Sanabu.« Da fragte der Jüngling: »Ist das nicht dieselbe, die ich suche?« Dann stand er auf und begab sich zu ihr und sprach: »Was ist Dein Begehr?« Sie erwiderte: »Ich will von dieser Perlsorte, hast Du noch welche im Schiffe?« Er antwortete: »Hier habe ich nur wenig, aber dort sind oben und unten noch eine ganze Menge, vielleicht kommst Du selbst mit und wählst Dir aus, was Du willst.« Die Sultanstochter sprach zu ihm: »Morgen werde ich selbst dorthin auf's Schiff kommen.« Er erwiderte: »Gut, so lebe jetzt wohl.« Dann ging er hin aus und kehrte zum Schiff zurück.

Sie hielten sich bereit, um die Sultanstochter zu empfangen. Als sie am nächsten Tage an Bord kam, führte er sie in eine Kabine und brachte ihr viele Perlen und sprach: »Wohlan, suche Dir eine Sorte aus, welche Dir gefällt.« Während sie sich Perlen aussuchte, lichtete das Schiff die Anker und fuhr ab. Sie merkte nichts davon, dass das Schiff in Fahrt war.

Erst um die siebente Stunde mittags sagte sie: »Jetzt will ich nach Hause gehen, Perlen habe ich genug gefunden; was kostet das Frasila?«5 Er antwortete: »Nimm sie umsonst.« Und sie dankte sehr. Und ihrerseits zog sie ein Geschenk von zehn Pfund Gold hervor und wünschte ihm »Lebewohl«.

Als sie nach oben kam, schaute sie um sich, sah aber keine Stadt mehr. Da merkte sie erst, dass das Schiff fuhr und sie sprach: »Du bist gekommen, um mich zu stehlen«; und sie weinte sehr und sprach: »Du bist ein Dieb, der Leute stiehlt!« »Weine nicht«, sagte er, »heftiges Weinen erzeugt Schmerz; dort, wo Du hinfährst, werden sie Dir nichts zu Leide thun, man wird Dich lieben, wie Du von Deinem Vater geliebt wurdest, denn jene sind gleichfalls Sultane.« Da schwieg sie und weinte nicht mehr.

Das Schiff fuhr weiter, bis es an seinem Bestimmungsorte ankam und sie schössen alsdann einundzwanzig Kanonenschüsse ab. Der Sultan erkannte daran, dass sie glücklich zurückgekehrt waren. Sie stiegen aus und der Jüngling sprach zum Sultan: »Ich habe die binti Sanabu bekommen, sie ist dort auf dem Schiffe.« »So lasse sie gegen Abend an Land kommen«, erwiderte jener. Gegen Abend begaben sich viele Sklavinnen hin, um sie an Land zu bringen. Und sie stieg aus und begab sich zum Sultan.

Der Sultan sprach nun zu dem jungen Manne: »Jüngling, Du hast Deinem Vater ein Versprechen gegeben, Dein Wille ist es den Vogel zu erlangen, nimm auch diese Frau mit, es soll Deine Frau sein, und die Trommel mit dem siebenfachen Klang sowie die Hälfte der Sklaven nimm auch mit Dir.« Er nahm die Sklaven und sein Pferd; und der Sultan gab ihm noch Esel, Rinder und Silber und sagte ihm beim Abschied: »Wohlan, leb' wohl mein Sohn, ich sehe Dich ungern scheiden, Deine Abreise bereitet mir Kummer, denn ich liebe Dich.«

Der Jüngling zog nun fort, bis er zu jenem Sultan, dem Besitzer des Donnerschwertes, kam, und er sprach zu ihm: »Ich bin mit der Trommel mit dem siebenfachen Klang gekommen, hier gebe ich sie Dir.« Dieser erwiderte: »Du bist sehr tapfer, mein Sohn, der Du Deinem Vater solch Versprechen gegeben hast; nimm das Schwert und die Trommel dazu, behalte beides.« Er nahm beides an sich. Dann gab ihm der Sultan noch viele Geschenke: Esel, Pferde, Sklaven und Silber und sprach: »So lebe denn wohl.«

Nun kehrte er zu jener Stadt zurück, wo der Sultan, der Eigentümer des Vogels, wohnte, und sprach zu ihm: »Das Schwert habe ich Dir gebracht.« Da entgegnete der Sultan: »Behalte Du das Schwert und nimm auch den Vogel; wenn Du demselben sagst ›ich will Geld‹, so wird ihr Dir welches geben, sagst Du ihm ›ich will Reis‹, so wird er Dir welchen geben; wohlan, nimm diesen Vogel an Dich.« Er nahm den Vogel und erhielt noch viele andere Reichtümer, so dass er einen ganzen Tross mit sich führte. Kein Häuptling noch Sultan im Innern hatte soviel wie er, er hatte ein grosses Vermögen beisammen, das er für nichts erlangt hatte, ohne zu kämpfen und ohne sich zu quälen. Gott hatte ihn mit allem reichlich gesegnet, von jeder Sorte Tiere hatte er.

Nun trat er den Rückmarsch an und ging, bis er bei einem seiner Brüder ankam. Dem sagte er: »Ich habe den Vogel bekommen, den unser Vater haben wollte.« »Wo ist er denn?« »Dieser ist es«, erwiderte er. »Wirklich«, sagte jener, »wohlan, lass uns unseres Weges ziehen.« Sie brachen auf und zogen beide weiter, er und sein Bruder.

Als sie bei ihrem dritten Bruder anlangten, sprach der jüngste: »Bruder, lass uns nach Hause ziehen, den Vogel, welchen der Vater wollte, habe ich bekommen, was willst Du hier noch bleiben, zieh mit uns!« Er antwortete: »Gehen wir! Aber wo ist der Vogel?« Er sprach: »Hier ist er.« »Jetzt willige ich ein«, erwiderte jener, »gut, lasst uns gehen!«

Und sie begaben, sich zu ihrem vierten und fünften Bruder und sprachen: »Kommt auch Ihr mit uns, den Vogel haben wir bekommen, lasst uns gehen, bleibet nicht unnötig hier.« Sie antworteten: »Gut, so lasst uns ziehen.«

Als sie bei ihrem sechsten Bruder anlangten, sprachen sie: »Den Vogel haben wir bekommen.« Ihr Bruder fragte: »Von wem habt Ihr diese Reichtümer bekommen? Habt Ihr Krieg geführt oder habt Ihr gestohlen?« Sie sprachen: »Hast Du Gott vergessen?« Er fragte: »Wieso denn?« Sie sprachen: »Gott ist barmherzig und wem er geben will, dem giebt er, wundere Dich deshalb nicht. Was uns gehört, ist auch für Dich.« Da sprach er: »Wohlan, lasst uns gehen, aber die Wahrheit habt Ihr mir noch nicht gesagt, wie Ihr zu diesen Reichtum gelangt seid!« »So gehen wir nur«, erwiderten sie, »wir werden Dir alles unterwegs erzählen.« Alsdann zogen sie weiter.

Unterwegs erklärten sie ihm, wie sie zu dem Reichtum gekommen waren. Unterdes gelangten sie zu ihrem ältesten Bruder. Als er den Tross bemerkte, der da ankam, fürchtete er sich und sprach: »Sogar der Sultan dieses Landes, in welchem ich wohne, hat nicht solche Leute wie die da kommen.« Während sie näher kamen, erkannte er seine Brüder, und sie begrüssten ihn und er erwiderte ihren Gruss mit Freuden und sprach: »Habt Ihr den Vogel bekommen?« Sie sprachen: »Wir haben den Vogel bekommen und jetzt wollen wir nach Hause ziehen. Wir sind jetzt zehn Jahre im Innern gewesen, kehren wir nunmehr zurück, unsere Eltern trauern um uns.« Er sprach: »Wohlan, so lasst uns gehen.«

Sie zogen nun heimwärts und kamen am Ende des zehnten Monats in eine Stadt. Als sie dort anlangten, schlugen sie ihr Lager auf und ruhten einen Monat aus. Dann brachen sie wieder auf und kamen nach weiteren sechs Monaten in die Nähe ihrer Heimat; es waren noch zwei Tagereisen bis zu den Thoren ihrer Stadt.

Dort, wo sie Halt machten, war ein Brunnen aus Steinen gebaut; bei demselben schlugen sie ihr Lager auf, zwei Tagereisen von ihrer Stadt entfernt.

Dort hielten sie nun Rat und fragten einander »Was wollen wir nun machen?« Dann fragten sie den Aeltesten von ihnen sechs: »Was hast Du beschlossen?« Er sprach: »Er hat uns beschämt, wir sind ein jeder an seinem Orte sitzengeblieben, und er hat sehr grosse Unannehmlichkeiten und Mühen durchkosten müssen, bis er den Vogel erhalten hat. Erst sagte ihm der Eigentümer des Vogels ›bringe mir das Donnerschwert, dann erhältst Du den Vogel‹, und der Eigentümer des Schwertes sagte ›bringe mir die Trommel mit dem siebenfachen Klang‹, und der Besitzer der Trommel sagte ›bringe mir die binti Sanabu.‹ Dieser Jüngling hat mit Geschicklichkeit alle Gefahren überwunden, bis er den Vogel erhielt, den unser Vater wünschte. Er hat uns überall unterwegs übertroffen, das ist eine grosse Schmach für uns; dieses kleine, kleine Kindchen hat grossen Verstand gezeigt. Die Gefahr war ihm bekannt, aber auf den Befehl des Vaters hörte er. Wir sind erwachsene Männer und haben seinen Befehl nicht beachtet. Wenn wir in unserer Heimatstadt anlangen und er berichtet, wie er den Vogel bekommen hat, dann werden wir Dummköpfe genannt und von unserm Vater ausgeschimpft und seiner Zufriedenheit werden wir ermangeln. Ich werde Euch einen Vorschlag machen, meine Brüder, wollt Ihr auf mich hören?« Sie sprachen: »Wir hören auf Dich, unsern ›Ältesten.‹« Er sprach: »Ich schlage vor, wir werfen diesen, unsern jüngsten Bruder, in den Brunnen, denn, der den Vogel bekommen hat, das ist er, es ist besser, wir töten ihn.«

Der junge Msiwanda hatte keine Ahnung von dem, was sie beabsichtigten, denn sein Herz war gut, er dachte nichts Böses in seinem Herzen. Er vertraute ihnen sein ganzes Vermögen und seine Frau, jene binti Sanabu, die er dort bekommen hatte, an.

Eines Tages verabschiedete er sich von seiner Frau und sagte: »Ich werde in den Wald gehen Vögel schiessen.« Als er in die Nähe des Brunnens kam, war die Beratung seiner Brüder schon beendigt. Er näherte sich und sah wie seine älteren Brüder selbst am Brunnen Wasser schöpften. Da warf er seine Flinte weg und lief schnell zum Brunnen zu seinen Brüdern, erfasste den Eimer und sprach: »Brüder, warum schöpft Ihr selbst Wasser? Sind doch vierhundert Sklaven da, und das Wasser schöpft Ihr selbst? Gebt mir her, damit ich, Euer Jüngster, es Euch hole!« Sie reichten ihm den Eimer und als er sich beugte, um Wasser zu schöpfen, stiessen sie ihn hinab und er fiel in den Brunnen. Unten im Brunnen kam er jedoch stehend an.

Seine sechs Brüder schrien auf und sprachen zu den Sklaven: »Euer Herr ist uns verloren gegangen!« Und die binti Sanabu weinte: »Mein armer Mann! Er hat zwölf Monate bis in unser Land gebraucht, um mich zu holen und hierher zu bringen! Meinen Vater und meine Mutter habe ich verlassen, hier habe ich weder Vater noch Mutter noch meine Familie, mein Mann ersetzte mir Vater und Mutter. Heute ist er nun gestorben, jetzt wird es mir übel ergehen!« Sie sprachen zu ihr: »Lasset uns weiter ziehen, höret auf zu weinen und danket Gott!«

Sie dankten Gott. Dann brachen die sechs jungen Leute auf und langten am zweiten Tage in ihrer Stadt an. Sie sprachen zu den Sklaven: »Gebt Freudenschüsse ab.« Und ihr Vater, jener Sultan, liess die Kanonen donnern und freute sich sehr: Aber seinen jüngsten Sohn Msiwanda suchte er und fand ihn nicht. Die andern wurden entlassen, um sich auszuruhen.

Am nächsten Tage fragte er: »Meine Söhne, was hat sich dort zugetragen?« Sie antworteten: »Uns ging es gut, aber Msiwanda ist gestorben, seine Frau ist dort in ihrem Hause.« Da weinte der Sultan sehr und setzte eine grosse Trauer an, alle Freude war für jedermann sechs Tage lang gewichen. Am sechsten Tage wurde die Trauerfeierlichkeit beendet und der Koran gelesen. Und jene Frau, die binti Sanabu lachte weder noch unterhielt sie sich, sie weinte den ganzen Tag.

An jenem Brunnen, in welchen der Jüngling von seinen Brüdern hineingeworfen war, kam ein Sklaven-Aufseher vorbei mit seinem Eimer, um Wasser zu schöpfen. Es war ein Aufseher seines Vaters und selbst noch Sklave. Als er den Eimer in den Brunnen liess und ihn mit Wasser hochzog, fand er ihn schwer und er sprach bei sich: »Was hat mein Eimer denn gefangen?« Da schaute er in den Brunnen und sah die Hände eines Menschen, die sich am Eimer festhielten. Nun zog er kräftig, bis er jenen Menschen herausgezogen hatte. Dann legte er ihn oben hin und schlug ihm so lange in die Magengegend, bis er das Wasser wieder von sich gab. Alsdann trug er ihn auf dem Rücken nach seinem Hause auf seine Pflanzung hin.

Dort gab er ihm schnell etwas Suppe, die er auch trank. Dann machte er Wasser heiss und wusch ihn und kochte ihm wieder Suppe, die er zu sich nahm. Etwas davon behielt er auch bei sich. Um die sechste Stunde mittags kochte er ihm etwas Reis und er ass; auch der Reis blieb bei ihm. Dann fragte er ihn und sagte: »Bist Du nicht mein Herr, der Sohn unseres grossen Sultans?« »Ich bin es«, erwiderte dieser, »der auszog, den Vogel zu holen.« Er fragte: »Was ist Dir zugestossen, dass Du in den Brunnen geraten bist?« »Meine Brüder haben mich in den Brunnen gestossen, um mich zu töten, aber Gott hat mich nicht sterben lassen.« »Deine Brüder sind sehr schlecht«, sprach jener, »wenn sie Dich töten wollten.«

Der Jüngling blieb dort auf der Pflanzung, bis er etwas kräftiger geworden. Dann schrieb er einen Brief, den er seiner Frau, der binti Sanabu, zuschickte. Er gab ihn einer Sklavin Mama Ammao, die ihn seiner Frau heimlich übergab. Diese las ihn, denn sie konnte lesen und ersah aus dem Briefe, dass ihr Mann noch lebte und es ihm gut ging. Die Frau freute sich und die Leute, welche sie an jenem Tage fröhlich lachen und sich mit ihren Sklavinnen unterhalten sahen, waren sehr erstaunt und sprachen: »Was hat unsere Herrin heute? Was erfreut sie denn so?« Dann wartete sie bis um die zehnte Stunde und schrieb ihm einen Brief zurück.

Jene Mama Ammao nahm ihn mit und brachte ihn ihrem Manne. Er las ihn und freute sich darüber. Nach zwei Tagen schrieb er einen andern Brief an seine Frau: »Geh hin und berichte meinem Vater heimlich, dass ich am Leben bin, morgen werde ich kommen, aber ich möchte, dass niemand etwas erfährt.« Seine Frau ging hin und sprach: »Dein Sohn hat diesen Brief geschickt, hier lies ihn.« Der Sultan entfaltete ihn und las ihn und er sah, dass es der Name seines Sohnes war. Gleichfalls ersah er daraus, dass er an demselben Tage noch aufbrechen wolle.

Am nächsten Tage um die erste Stunde abends kam der Jüngling bei seiner Frau an und diese begab sich zu seinem Vater und sprach: »Mein Mann, Dein Sohn, ist gekommen, komm Du um die vierte Stunde, um ihn zu besuchen.« Um die vierte Stunde kamen beide, sein Vater und seine Mutter, um ihn wieder zu sehen. Und sie freuten sich sehr. Dann sprach Msiwanda: »Vater, ich habe Dir nicht viel zu sagen, Du hast gesehen, dass Dein Sohn lebt, gut – gehe jetzt und schlafe; morgen früh mache bekannt, dass alle Leute sich versammeln sollen, wer ein kleines Kind besitzt, bringe dasselbe mit und wer keins hat, nehme einen Stein auf den Arm.6 Es soll niemand aufs Feld gehen, noch irgend eine andere Arbeit verrichten, sei es nun Fischen oder mit dem Fahrzeug in See stechen, das sei nicht erlaubt.« »Gut«, sagte der Vater, »ich habe Deine Worte verstanden.« An demselben Tage noch gab der Sultan dies allgemein bekannt.

Am darauffolgenden Morgen füllte sich die Empfangshalle mit Menschen an; es kamen Frauen und Männer, Kleine und Grosse, Sklaven und Freie. Die sechs jungen Leute, die ihren Bruder töten wollten, sassen gleichfalls in der Halle. Sie ahnten nicht, dass ihr Bruder am Leben geblieben war. Als die dritte Stunde Schlug und die Halle ganz überfüllt war, trat Msiwanda ein. Seine Brüder waren starr vor Staunen und ganz verwirrt.

Er blieb aufrecht stehen, während alle Leute niedersassen. Und er liess laut seine Stimme erschallen, alle andern schwiegen still, es war auch nicht einer, der redete; und er sprach: »Als der Vater mich und meine Brüder aussandte, um den Vogel zu holen, und wir in dem ersten Lande anlangten, liess sich mein ältester Bruder dort nieder und weigerte sich, weiter nach dem Vogel zu suchen. Wir blieben unserer sechs Leute übrig und sobald ein jeder von ihnen einen bewohnten Ort erreichte, blieb er dort. Sie fanden sechs Orte und in jedem von diesen setzte sich einer fest so dass nur ich, Msiwanda, mit meinem Sklaven und meinem Pferd allein übrig blieb. Ich forschte nach und man sagte mir, wo der Vogel sei. Ich begab mich dorthin und sie banden mich; die einen wollten mich töten, die andern sprachen: ›Bringt ihn zum Sultan, er soll ihn zuerst sehen‹. Ich wurde hingeführt und sah den Sultan und er sprach: ›Deine Angelegenheiten sind mir bekannt, weshalb Du gekommen bist, Du suchst nach einem Vogel, um die Zufriedenheit Deines Vaters zu erlangen; aber den Vogel bekommst Du nicht, ausser Du bringst mir das Donnerschwert.‹ Ich ging nun dorthin, wo das Donnerschwert war, und man fesselte und quälte mich in gleicher Weise. Dann sagte man mir: ›Wenn Du das Donnerschwert willst, so gehe zunächst hin und bringe die Trommel mit dem siebenfachen Ton, alsdann wirst Du das Donnerschwert erhalten.‹ Ich ging nun dahin, wo die Trommel zu finden war. Daselbst hatte ich gleichfalls grosse Qualen auszuhalten, seht nur her, wie man mir die Hände auf dem Rücken mit Stricken zusammengebunden hat. Der Eigentümer der Trommel sprach nun zu mir, ich solle ihm zuerst die binti Sanabu bringen, dann würde er mir die Trommel geben. Ich fing die Sache geschickt an und nahm Perlen in meinem Schiffe mit, so dass ich diese Frau mit Hülfe derselben bekam. Ich ging nun zu dem Eigentümer der Trommel zurück und sagte zu ihm: ›Die Frau, welche Du Dir gewünscht hast, ist schon da.‹ Er antwortete: ›Nimm Du sie und heirate sie; auch die Trommel sei Dein.‹ Dann gab er mir die Trommel und jene Frau und viele Güter, Sklaven und anderes mehr. Als ich zum Besitzer des Schwertes kam und ihm sagte: ›Dies ist die Trommel‹, sprach er: ›Nimm Du sie.‹ Ich nahm die Trommel, das Schwert und meine Reichtümer und begab mich zu dem Besitzer des Vogels und sprach zu ihm: ›Dies ist das Schwert, gieb mir nunmehr den Vogel, damit ich weiter ziehen kann.‹ Da sprach er: ›Nimm Du alles, den Vogel und das Schwert.‹ So zog ich mit viel Vermögen fort und traf meinen ersten Bruder, dann den zweiten, dritten, vierten, fünften und sechsten, und ich sprach zu ihnen: ›Lasst uns zurückkehren, den Vogel habe ich bekommen und Reichtümer jeder Art dazu.‹ Sie freuten sich und sprachen: ›Wohlan, so lasst uns ziehen.‹ Wir kamen bis in die Nähe der Stadt zum Sklavenaufseher Tschande, dort wo der Brunnen ist. Meine Brüder wollten Wasser schöpfen, ich nahm ihnen aber den Eimer aus der Hand, da warfen sie mich in den Brunnen und wollten mich töten, um zu Dir, mein Vater, zu kommen und Deinen Segen zu erlangen. Diese, meine Brüder, sind schlechte Menschen, denn sie beschlossen schon unterwegs, mich zu töten; das war es. Nun kam der Aufseher Tschande vorbei, um Wasser aus dem Brunnen zu holen. Ich ergriff seinen Eimer und er zog mich heraus. Er behielt mich bei sich, bis ich mich wieder erholt hatte. Das ist es, mein Vater, was ich Dir über mich und meine Brüder zu berichten habe.«

Da sprach sein Vater: »Gut, so bringe den Vogel.« Als derselbe kam, fragte Msiwanda: »Was hat er Dir bis jetzt gegeben?« Sein Vater antwortete: »Nichts.« »Gut, so höre auf mich, ich werde mit ihm sprechen und Du wirst mir glauben.« »Vogel, gieb Silber!« Da gab er ausserordentlich viel Silber und Gold, Reis und andere Speisen von sich. Und er sprach zu seinem Vater: »Glaubst Du nun, Vater, dass dieser Vogel mir gehört, dass ich es allein bin, der ihn erhalten hat?« »So bringe auch das Schwert«, sprach Msiwanda weiter. Als man es brachte, sagte er: »Was hat es gesprochen?« Er antwortete: »Es hat nichts gesprochen.« »So höre auf mich, wie ich es werde sprechen machen.« Er schlug an seine Scheide, da ertönte das Schwert laut wie das Rollen des Donners und die Leute fürchteten sich. Der Sultan sprach: »Es ist wahr!« Dann wurde das Schwert wieder in die Scheide gesteckt.

Nun sprach er: »Man bringe mir die Trommel.« Sie brachten dieselbe. Er sprach: »Was hat diese Trommel, seit sie hier angekommen, gesagt?« Sie sagten: »Wir haben sie geschlagen, jedoch gab sie keinen Ton von sich.« »So höret, wie die Trommel tönen wird!« Als er sie leise anschlug, ertönte sie mit siebenfachem Klang. Da freute sich sein Vater sehr und sprach: »Wirklich, mein Sohn, Du bist derjenige, welcher alles erlangt hat.«

Jene Leute hatten alle Worte gehört, welche der Jüngling gesprochen hatte. Nun erhob sich der Sultan und sprach zu den Leuten: »Diese hier sind meine Kinder nicht mehr, nähet sie in sechs Säcke ein und werft sie ins Meer; sie wollten meinen Lieblingssohn, den jüngsten, töten. So sterbt denn Ihr heute am Strande, werft sie dort hinein.« Sie wurden alle sechs ins Meer geworfen und der Sultan lebte mit seinem Sohne Msiwanda in Ruhe und Frieden, und von dem Tage an war sein Name »Zufriedenheit des Vaters«.



Fußnoten

1 Msiwanda ist die Bezeichnung für den jüngsten Sohn (Benjamin).



2 Die folgende Erzählung hat einige Aehnlichkeit mit der vorhergehenden: »Der reiche und der arme Häuptling.«



3 Tochter, Fräulein.



4 Es kommt niemand hinein, der Übles im Schilde führt.



5 Etwa 35 Pfund.



6 D.h. Gross und Klein soll kommen.


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