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Der närrische Johann - Märchen von Emil Karl Blümml: Schwänke und Schnurren des französischen Bauernvolkes


Der närrische Johann

Die Mutter des närrischen Johann schickte ihn eines Tages in den Marktflecken, dass er Mehl und Cider einkaufe. »Wenn du zurückkehrst, wirfst du die Sachen auf diesen Platz,« fügte sie noch hinzu.

Nachdem er zurückgekehrt war, schüttete er das Mehl auf die Erde, ebenso goss er den Cider aus. Er war nämlich einfältig und fasste alles, was man ihm sagte, wörtlich auf. – »Wo ist das Mehl?« frug die Mutter, als sie vom Stall zurückkam. – »Hier!« – »Und der Cider?« – »Ebenfalls hier!« – »Dummer Junge,« rief die Frau, als sie den Mörtel erblickte, der aus dieser Mischung hervorgegangen war. »Warum hast du den Sack nicht auf die Erde gestellt und den Cider daneben hin? Du verdirbst doch alles, was du angreifst.« – »Zürnt nicht, liebe Mutter, ein anderes Mal werde ich pfiffiger sein.«



* * *



Einige Zeit nachher befahl ihm die Mutter eine Bro1 zu nehmen und aus der Scheune Nüsse zu bringen. Johann verstand jedoch, er solle seine Heugabel nehmen und damit die Nüsse bringen. Aber die Nüsse schlüpften zwischen den Zinken immer durch und er konnte nicht eine einzige mitbringen. Obwohl er sich alle Mühe gab, ging es nicht. Er erzürnte sich so sehr, dass ihm der Schweiss in hellen Tropfen herabrann. Um sich zu stärken, nahm er einen Napf und holte sich aus dem Keller Cider, vergass jedoch zuzuspunden, sodass der Cider ausrann. Um ihn zu retten, wusste er nichts anderes zu machen, als einen Sack Mehl vors Loch zu stellen. Der Cider sickerte hinein und das Mehl war hin.

* * *



Die Mütter des närrischen Johann schickte ihren Sohn auf den Markt, ein Schwein zu verkaufen. »Das Geld, das wir dafür einnehmen, soll dazu dienen, die grössten Löcher zu verstopfen.« – Johann verkaufte das Schwein und am Heimweg verstopfte er mit dem Gelde die grossen Löcher, die er am Wegrain sah. Alles, blanke Taler, Sous und Heller, verbrauchte er.

Bei seiner Rückkunft rief die Mutter: »Was hast du mit dem Geld getan?« – »Ich habe die grössten Löcher am Weg damit zugestopft, doch waren deren so viele, dass ich nur zwei oder drei anfüllen konnte.« – »Dummkopf, du wirst von einemmal auf das anderemal nicht pfiffiger. Das Geld sollte die Löcher unseres Vermögens, nicht die der Felder verstopfen. Kehre um und suche das Geld!«

Johann ging zurück, aber er fand nichts mehr, denn andere Leute hatten das Geld schon aufgelesen.



* * *



Einige Tage nachher brauchte die Mutter einen Dreifuss und schickte ihren Sohn fort, einen solchen einzukaufen.

Das Tragen des Dreifusses wurde unserem Johann bald zu langweilig, er stellte ihn daher nieder und rief ihm zu: »Gehe diesen Weg, der zu uns führt, nur gerade fort. Du kannst früher zu Hause sein als ich, denn du hast drei Füsse.«

Johann ging, die Hände in den Taschen, ruhig nach Hause. »Wo ist der Dreifuss?« rief die Mutter. – »Wie! Er ist noch nicht hier? Er wird sich wohl am Wege unterhalten, denn sonst müsste er, hat er doch um einen Fuss mehr wie ich, schon hier sein. Den Weg habe ich ihm ja genau angegeben.« –»Der Dreifuss ist pfutsch. O mein Gott, wie dumm ist doch dieser Junge, dass er einem Stück Eisen Befehle erteilt, anstatt seinen Quersack zu nehmen, den Dreifuss hineinzugeben und ihn dann bequem auf der Achsel hierher zu tragen.« – »Gut«, rief der Junge, »ich werde mir das für ein anderesmal merken.«



* * *



Als die Erntezeit kam, brauchte man eine Schwinge zum reinigen des Getreides und Johann wurde beauftragt, eine zu kaufen. Er erinnerte sich der Worte seiner Mutter und sobald er aus dem Geschäfte des Korbmachers heraustrat, versuchte er die Schwinge in seinen Quersack, den er absichtlich mitgenommen hatte, zu stecken. Da es aber nicht ging, so zerschnitt er die Schwinge auf mehrere Teile, die er dann sorgfältig in den Quersack legte.

Als er vor seiner Mutter, mit einer äusserst zufriedenen Miene die Trümmer der Schwinge ausbreitete, da seufzte sie tief und warf ihm seine Dummheit mit folgenden Worten vor: »Hier hättest du es anders anstellen sollen; deinen Stock hättest du durch die Laschen der Schwinge hindurchziehen sollen.«



* * *



Einige Tage nachher gab ihm die Mutter Geld und sprach: »Hier hast du fünfzig Taler! Wir brauchen ein Pferd, kaufe eines um das Geld, aber gib ja nicht um einen Sou mehr dafür.« – »Sei nur ruhig, Mutter, ich werde die Sache zur Zufriedenheit ausführen.«

Am Markte zu Rennes erkundigte sich Johann zunächst um den Preis mehrerer Pferde, die ihm gefielen, aber alle Händler sagten bald mehr, bald weniger als fünfzig Taler und da Johann von dieser Summe nicht ablassen wollte, so kehrte er, ohne etwas gekauft zu haben, wieder um. Vor der Stadt begegnete er einen Landmann, der ein blindes Pferd führte. – »Wieviel kostet das Tier?« rief unser Johann. – »Fünfzig Taler«, rief ganz zufällig der verschmitzte Bauer, dem das einfältige Aussehen des jungen Mannes aufgefallen war. – »Der Handel ist abgeschlossen,« schrie Johann und schlug in die Hand des Verkäufers ein.

Er nahm das Pferd, das nur mehr den Hautpreis wert war und bestieg es. Als er bei einem Gasthause vorbeikam, wollte er gerne wissen, wie spät es sei und lenkte daher sein Reittier zur Türe hin. Da das arme Tier aber nicht sah, wohin es ging, rannte es gegen die Glastüre und zwar so heftig, dass die Türe ins Haus fiel und mehrere Cidergläser, die in der Nähe der Türe auf einem Tisch standen, umwarf.

Der Wirt eilte herbei und Johann rief ihm ruhig zu: »Wieviel ist es?« – »Es ist die Zeit, wo die Narren auf der Strasse sind«, erwiderte der Wirt, der die Einfalt des Jungen bemerkte. – »Danke!«

Als die Mutter das Pferd erblickte, das Johann heimbrachte, brach sie in Klagen und Vorwürfe aus: »Dummkopf, du hast ein Tier gekauft, das gar nichts wert ist. Siehst du denn nicht, dass es blind ist?« – »Blind? Nein, das habe ich nicht bemerkt, denn ich stieg auf und es warf mich nicht zur Erde. Übrigens, wenn dir das Pferd nicht gefällt, so führe ich es auf den nächsten Markt und ich wette, dass ich mindestens zweihundert Franken dafür bekomme.«

Er begab sich auf den Markt nach St. Aubin und gab jedem Händler, der ihn um den Preis des Tieres frug, zur Antwort: »Zweihundert Franken kostet es!« – »Zweihundert Franken!« riefen die Rosshändler achselzuckend, »es hat doch nur einen Hautwert.«

Als er sah, dass er zu St. Aubin mit seinem Klepper nichts anfangen könne, brachte er ihn nach Rennes, in der Hoffnung, dort besser bestehen zu können. Aber man bot ihm nicht mehr als vier Zehnsousstücke und so gab er schliesslich das Pferd um diesen Preis her.

Beim nächsten Markt kaufte er wieder so ein Prachtstück eines Pferdes um vierzig Taler. Der Händler behielt sich die Zügel, die Johann nicht verlangte, zurück und so musste dieser das Tier an der Mähne fortziehen. Als er sich auf der Landstrasse befand, kam ihm eine grossartige Idee. »Am einfachsten ist es, wenn ich dem Pferd meinen Stock durch die Ohren ziehe.« Er versuchte nun diesen Einfall auszuführen, aber das kräftige Pferd litt es nicht, bäumte sich, schlug aus und rannte schliesslich im Galopp davon, seinen Eigentümer ganz bestürzt zurücklassend.

Er ging heim und berichtete die Sache seiner Mutter. – »Du bist verrückt,« rief sie, »du hättest dem Pferde eine Halfter umbinden und dich darauf setzen sollen. Auf das darauf zu kommen, wäre doch nicht schwierig gewesen.«



* * *



Nun schickte sie ihn fort, eine Magd, die sie aufgenommen hatte, zu holen. Das Mädchen ging mit ihm und als sie auf der Landstrasse waren, zog er eine Halfter aus seiner Tasche, legte sie dem Mädchen um den Hals und wollte ihr auf den Rücken steigen. Da die Magd sah, daß der Junge närrisch sei, so liess sie ihn gewähren und trug ihn, trotz seines Gewichtes, heim. Im Hause seiner Mutter angekommen, schwitzte sie sehr. Er führte sie in den Stall, setzte ihr Heu vor und ging dann ins Haus.

»Wo ist die Magd?« frug ihn die Mutter. – »Im Stall.« – Die Frau eilte rasch hin und führte die Magd ins Haus. Diese aber wurde aus Angst und vor Schrecken krank und mußte mehrere Tage das Bett hüten.



* * *



Der närrische Johann wollte sich einmal die Mädchen ansehen. Er belästigte seine Mutter eines Sonntags Nachmittag solange, bis sie ihm riet, hinaus aufs Feld zu gehen, wo eine junge Nachbarin ihre Kühe hütete. Der Junge ging hin und starrte sie unausgesetzt an, sodaß sie ihm, ohne ein Wort zu sagen, eine tüchtige Ohrfeige versetzte und dann davon rannte.

Er beklagte sich darüber bei seiner Mutter und frug sie, wie er sich die Mädchen wohlgeneigt machen könne. »Man spielt mit ihnen und wirft mit allerhand brochons um sich.« – »Das werde ich mir merken,« rief der Junge. –

Brochon bezeichnet aber kleine Äste, dann Possen und schließlich Holzpflöcke. In letzterem Sinne fasste es unser närrischer Hans auf und ging daher zu einem Pfahlzaun, dessen Holzpflöcke er auszog und auf das Mädchen warf, das über diese neuartige Galanterie sehr erstaunt war und floh.

Wieder kehrte er zur Mutter zurück und erzählte ihr, dass sich die Schäferin flüchtete, als ob sie einen Wolf erblickt hätte, obwohl er mit ziemlich grossen brochons um sich warf.

»Du musst ihr Schafsaugen zeigen,« riet ihm die Mutter. Man verwendet diesen Ausdruck in gewissen Gegenden zur Bezeichnung kleiner, verliebter Augen. Der Junge schnitt allen Schafen denen er am Wege begegnete, die Augen aus und kehrte zur Hirtin zurück. Er sprach mit ihr und um seine Angelegenheit zu fördern, zog er die noch blutenden Schafsaugen aus der Tasche. Das Mädchen, darüber erschrocken, floh, so rasch sie nur konnte.

Als er seiner Mutter sein neues Abenteuer erzählte, rief sie aus: »Du bist ein Dummkopf, da du alles wörtlich nimmst! Ich wollte doch nur sagen, dass du der Schäferin verliebte Augen zeigen sollst.« – »O, es ist sehr schwer, den Mädchen den Hof zu machen,« erwiderte der närrische Hans, »ich werde mich nie verheiraten.«



(Haute-Bretagne.)

Fußnoten

1 Bro bezeichnet in der gallischen Mundart: 1. Gefäss; 2. Heugabel.


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