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Der Zauberer Virgil - Märchen von Waldemar Kaden: Unter den Olivenbäumen. Süditalienische Volksmärchen


Der Zauberer Virgil

Es war einmal ein mächtiger und starker Zauberer, der hieß Virgil. Viel besser als irgendjemand auf der Welt verstand er die schwarze Kunst und wußte alle Geheimnisse. In seiner Jugend hatte er sich einmal verheirathet, war aber übel dabei gefahren, denn seine Frau war eine von den schlimmsten, war voll Fehler und Laster, ränkesüchtig, trotzig und stolz. Dabei war sie wol schön, doch darum nur um so gefährlicher, und setzte ihrem Manne die Hörner auf. Der trug sie geduldig lange Zeit, endlich aber drückten sie ihn gar zu sehr, und was er gelitten, wollte er ihr tausendfach zurückgeben.

Er schloß einen Bund mit Malagigi, dem größten Meister im Reiche der Geister und Ritter vom Besen. Dem erzählte er alles, was er um seine Frau gelitten, sodaß selbst Malagigi Mitleiden empfand und ihm das Sprüchlein sagte:



Dreh' dich! Dreh' dich fort und fort,

Die Frau sie fährt von Ort zu Ort.

Dreh' dich, dreh' dich um und um,

Drei Teufel sind um mich herum.

Ohne Zauberei und Spuk

Regiert die Frau voll List und Trug.



Dabei drehte er große und kleine Weifen und rührte den Stab: da kamen Teufel von allen Seiten herbei, wie Fliegen kamen sie, und ohne Besinnen unterwarfen sie sich Virgil als ihrem Meister. So wurde dieser der Mächtigsten einer, und auf drei Kreise und einen Ruf flogen die Teufel voll Angst herbei, die er denn bei Tag und Nacht zwang, seine Befehle, bald dieses, bald jenes zu vollführen, daß sie wie Hunde arbeiten mußten.

Die ärgste Arbeit jedoch hatten sie mit seiner Frau. Sie, die ihn zuerst rasend gemacht hatte durch ihre große Bosheit, wurde jetzt abgehetzt und im Kreise geführt wie ein Pferd in der Reitbahn. Erst gab ihr Virgil den Farfarello zum Mann, der mußte sie zerkratzen und Feuer und Schwefel auf sie fallen lassen, daß sie halbgeröstet im Bette lag. Dann gab er sie dem Lucifer, der sie mit Schwanzschlägen und Hörnerstößen so durchlöcherte, daß sie wie ein Sieb ward. Zuletzt überließ er sie dem Carnazza, der blies sie auf wie einen Dudelsack, den er dann nach Herzenslust bearbeitete. Auch kein Schatten von Güte fiel mehr auf die böse Frau, die aber diese Strafe gar wohl verdient hatte. Wol war es manchmal den Teufeln selbst zu toll, aber sie mußten der Zaubergerte ihres Meisters gehorchen, und was er befahl, auch ausführen. Endlich wußten sie aber auch nichts mehr, was sie thun sollten, und da kommt denn auch der Tod und holt sich den Zauberer Virgil. Deß waren die Teufel froh, und laufen und schließen ein Bündniß mit den verdammten Seelen, dieser Quälgeist solle ihnen nicht hereinkommen, er würde sonst alle zwingen und aufs neue zu herrschen anfangen. Eilig schließen sie die Pforten der Hölle und legen Schloß und Riegel vor.

Der Zauberer Virgil kommt an, er klopft. »Wer ist da?« – »Ich bin's, der Zauberer Virgil!« – »Der Zauberer Virgil? Mach' daß du fortkommst, für dich ist hier kein Platz.« – »Aber wohin soll ich sonst, da ich doch verdammt bin?« – »Das ist deine Sache, hier ist kein Platz für dich.« So blieb Virgil draußen, er mochte flehen und weinen wie er wollte, denn seine Macht war dahin, da ihm der Tod seine Zauberruthe abgenommen.

Malagigi ging das Geschick seines Freundes zu Herzen, er überlegte, was zu thun sei, und so nahm er die verlorene Seele und die Gebeine des Zauberers Virgil, flog auf und trug sie auf eine Insel, da, wo das Meer am breitesten und tiefsten war. Hier baut er ein Grab von Steinen, wie eine große Kiste ohne Deckel, legt die Seele mitsammt dem Todtengebein hinein, sagt ein paar dunkle Worte, zeichnet drei nöthige Kreise darauf und spricht den Zauber darüber aus:



Drehe dich um und um, dreh' dich im Lauf,

Das Meer und die Welten thun sich auf.

Es zittert die Sonne, der Mond verliert sein Licht,

Fortuna verschleiert alles dicht.



Seit der Zeit nun dieser Zauber ausgesprochen worden, geschehen wunderbare Dinge auf der Insel. Kommt einer an das Grab, das Gebein zu beschauen, so umwölkt sich der Himmel, ein Ungewitter bricht los, Blitze zucken zu Tausenden herab, sodaß es scheint als käme der Jüngste Tag. Das Meer, kaum ist es zu sagen, bäumt sich unter dem Sturm in wilden Sturzwellen, ein Teufelslärm! Und Schiffe und Barken verschluckt es wie Pillen. Dort gilt keine Kühnheit, der Kühnste wird nur am tiefsten sinken und eines qualvollern Todes sterben, denn so will es der Zauber. Gott verhüte, daß ein Muttersohn je dahin komme!



Und wer es erzählt den Kindern und Erben,

Den lass' keines bösen Todes er sterben.


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