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Die Gefallsüchtige und ihre Freunde - Märchen von Emil Karl Blümml: Schwänke und Schnurren des französischen Bauernvolkes


Die Gefallsüchtige und ihre Freunde

Ein Mädchen hatte drei gute Freunde zu Liebhabern, von denen sie jeder gerne geheiratet hätte. Eines Abends kam der eine zu ihr und begrüsste sie mit den Worten: »Guten Tag, liebe Freundin. Ihr seht heute ganz verändert aus.« – »O, mir ist nicht recht wohl. Ich war heute beichten und da hat mir mein Beichtvater eine Busse gegeben, mit der ich nichts rechtes anzufangen weiss.« – »Wenn ihr wollt, büsse ich für euch!« – »Ah, das ist schön von euch! Ihr wisst doch, dass ich euch immer vorgezogen habe. Ihr müsst euch ein weisses Tuch umhängen und euch von Mitternacht bis drei Uhr früh in der Kirchenvorhalle aufhalten.«

Als der erste Liebhaber fort war, kam der zweite und nachdem er ihr einen guten Abend gewünscht hatte, frug er sie, warum sie so betrübt sei. – »Ach,« sagte sie, »ich habe auch einen Grund dafür, denn mein Beichtvater hat mir eine so harte Busse auferlegt, dass, wenn ich nur daran denke, mich die Gänsehaut überläuft.« – »Was immer es auch sei, ich will es für euch tun, wenn ihr versprecht, mich zu heiraten.« – »Ich willige ein,« sprach das Mädchen. »Nehmt eine Kuhhaut und geht am Friedhof in der Nähe des jüngsten Grabes auf und ab.«

Später kam der dritte Liebhaber und fand das Mädchen in Tränen aufgelöst. »Was habt ihr?« rief er. – »Was soll ich denn haben! Eine harte, sehr harte Busse drückt mich, an die ich gar nicht zu denken wage«. – »Sagt sie mir und ich werde sie für euch verrichten, wenn ihr mir versprecht, mich zu heiraten.« – »Ihr müsst mit einer Kette und einer Glocke versehen zwischen den Gräbern auf- und abgehen und dann in die Vorhalle der Kirche treten, um eure Finger im Weihwasser zu netzen.«

Die drei Jünglinge waren am Friedhof. Der mit der Kuhhaut glaubte, in der Vorhalle einen Geist zu erblicken; der im weissen Tuch glaubte, den Teufel auf-und abgehen zu sehen und beide erschracken heftig über den Lärm der Ketten und Glocken des Dritten. Dieser fürchtete sich aber wieder vor den beiden anderen und alle drei flüchteten schliesslich, nachdem ihnen vorher noch etwas in die Hose gegangen war.

Am nächsten Tag trafen sie sich im Gasthaus und da jeder sehr schlecht aussah, so frugen sie einander, ob sie krank seien. – »Nein,« sprach der Erste, »es fehlt mir nichts. Aber ich war diese Nacht am Friedhof, um eine Busse abzulegen und da sah ich den Teufel, der auf den Gräbern herumspazierte und ein Gespenst, das eine Kette schüttelte und dabei eine Glocke ertönen liess.« – »Ich,« rief der Zweite, »sah in der Kirchenvorhalle einen Geist, den sein Grabtuch bedeckte und erblickte ein Gespenst, das mit einer Glocke läutete.« – »Und ich,« schrie der Dritte, »sah den Teufel zwischen den Gräbern herumgehen und bei der Kirche ein Gespenst, das mit seinem Leichentuche angetan war.«

»Meiner Ansicht nach, liebe Freunde, hat man uns gefoppt. Ich stand in der Vorhalle, du hattest die Kuhhaut um und unser Freund schellte mit der Glocke. Dem Mädchen müssen wir einen Possen spielen.«

Der Eine verkleidete sich als Bettler und klopfte an der Pforte des Hauses, wo das Mädchen wohnte. Den anderen hatte er befohlen, in den Kamin jenes Hauses zu schlüpfen und ihm das, was er wünsche, herabzuwerfen.

»Wollt ihr mich aus Liebe zu Gott beherbergen?« – »Nein, lieber Freund! geh' deines Weges, denn unser Haus ist keine Herberge.« – »Lasst mich hier, ich bitte euch inständigst darum; ich kann nicht mehr weiter! Lasst mich auf einem Bund Stroh schlafen, ich werde euch nicht stören.« –

Die Hausbewohner liessen ihn eintreten und boten ihm etwas zum essen an. – »Danke,« erwiderte er, »ich esse nur das, was Gott mir schickt. Sobald ich etwas brauche, sendet es Gott mir. Lieber Gott, schick' mir einen Kuchen.« – Augenblicklich fiel ein Kuchen durch den Kamin herab. – »Schicke mir Mandeln.« – Sogleich fielen Mandeln auf den Herd. – »Ich danke dir lieber Gott,« rief der Bettler.

»Das ist ein Heiliger,« sprachen die Leute. »Er muss bei unserer Tochter schlafen.«

Der Heilige legte sich mit dem Mädchen in ein Bett zusammen, doch gar bald schrie sie: »Mutter, der Heilige berührt mich!« – »Das schadet nichts, er ist ein heiliger Mann.«

Fünf oder sechs Monate nachher konnte man sehen, dass das Mädchen schwanger sei. Ihre Mutter, ganz stolz darauf, ging mit ihrem Mann und ihrer Tochter in die Kirche und schrie: »Platz, Platz, uns vieren! Meine Tochter hat ein Heiliger geschwängert, sie wird einen Papst gebären.«

Sie zerbrach sich nur den Kopf, welcher Kirchenheilige es war.



(Haute-Bretagne).


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