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Der Schakal und der Igel - Märchen von Hans Stumme: Maltesische Märchen


Der Schakal und der Igel

Einst trafen der Schakal und der Igel zusammen. Der Schakal sprach: »Ist es dir recht, dass wir ein Stück Feld gemeinschaftlich besäen?« »Jawohl!« versetzte der Igel. Als die Saat dann emporgewachsen war, sprach der Igel zum Schakal: »Jetzt müssen wir teilen!« »Teilen wir also, was dasteht!« »Was willst du haben? Das Untere oder das Obere?« »Ich nehme das Obere!« »So mähe!« sprach der Igel. Der Schakal mähte seine Hälfte und warf das Gemähte auf einen Haufen. Der Igel aber zog – die Rüben heraus; dem Schakal verdarb natürlich das, was er gemäht hatte!

Er begab sich weinend zum Igel, zu dem er sprach: »Gib mir eine Rübe, damit ich etwas zu essen habe!« »Nein! Wir waren einmal so übereingekommen!« erwiderte der Igel und gab ihm nichts.

Im nächsten Jahre trafen die beiden wieder zusammen, und der Igel begann: »Ist es dir recht, wenn wir wieder ein Stück Land besäen, sodass jeder die Hälfte des Ertrages bekommt?« »Gern!« Wieder säten sie zusammen. Als die Saat emporgekommen war und trockner wurde, sprach der Igel zum Schakal: »Jetzt müssen wir den Ertrag teilen!« Der Schakal erwiderte: »Das müssen wir tun!« Der Igel fragte: »Was willst du davon haben? Das Untere oder das Obere?« Der Schakal versetzte: »Das erstemal hast du mich betrogen: jetzt nehme ich das Untere!« »Gut! Nimm das Untere!« sprach der Igel, und er fuhr fort: »Jetzt werde ich meinen Teil, das Obere, abmähen, und du kannst dann das Untere herausreissen!« Als nun der Schakal daran ging, das Untere herauszureissen, begann er mit seinen Beinen zu kratzen und mit seinen Zähnen die Wurzeln herauszuziehen, – die Wurzeln des Weizens!

Hernach sprach er zum Igel: »Gib mir ein wenig von dem Weizen!« Der Igel aber versetzte: »Ich gebe dir nichts; denn so waren wir übereingekommen!« »Dann werde ich dich verklagen!« sprach jetzt der Schakal, und der Igel erklärte: »Mach' mit mir, was du willst!«

Der Schakal verklagte nun den Igel. Beide begaben sich zur Gerichtsstelle. Die Verhandlung fand vor einem andern Igel statt; der sollte ihnen den Prozess schlichten. Dieser Igel sprach zu den beiden: »Geht jetzt und rennt auf den Berg dort und dann wieder hierher zurück; und wer hernach den meisten Weizen auf der Tenne hat abmessen können, der soll den Weizen haben!« Der Schakal erklärte sich mit diesem Vorschlage einverstanden. Der Igel besass nun noch drei Brüder; mit ihnen verabredete er sich zu einem Plane: den einen der Brüder liess er auf der Tenne beim Weizen; den andern beförderte er an eine Stelle in der Mitte des (zu durchrennenden) Weges; den dritten liess er noch etwas weiter sich hinpostieren. So stellte er denn die drei Brüder ein wenig voneinander entfernt auf. Zum Schakal sprach er hierauf: »Komm! Wir wollen nun nach dem Berge; lass uns hinauf- und wieder herunterlaufen, und derjenige, der hernach am meisten Getreide abgemessen hat, soll (alles) bekommen!«

Nun begannen die beiden ihr Wettrennen. Als der Schakal ein Stückchen gerannt war, erblickte er den Igel vor sich. Er rief aus: »Wie kann der nur an mir vorbeigekommen sein?« Denn nach seiner Meinung hätte der Igel nicht so schnell laufen können. Der Schakal rannte weiter und beschleunigte seinen Lauf immer mehr, um den Igel zu überholen. Der Igel aber war, als der Schakal an ihm vorbeigerannt war, ins Heu gekrochen und hatte sich darin versteckt. Dann kehrte der Schakal um und fand den Igel wieder vor sich; und als er wieder zur Tenne gelangte, sah er den Igel daselbst Weizen abmessen, mit den Worten: »Fünfzehn Metzen! Und das ist die sechzehnte!« Da rief der Schakal: »Nimm nur den ganzen Weizen! Ich will nichts haben!«


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