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Der Bursche mit dem Schafe - Märchen von L.A. Staufe: Volksmärchen aus der Bukowina


Der Bursche mit dem Schafe

Es waren einmal drei söhne, und diese drei söhne bekamen von ihrem vater, als er starb, mehrere kühe und ochsen, ziegen und schafe. unter diese sollten sie sich vertheilen und mit ihnen wirthschaften. aber da ihr alter vater nicht anzeigte, welche und wie viel stücke jeder dieser drei söhne bekommen sollte, wußten sie lange zeit nicht, wie einander recht zu thun. endlich meinte der jüngste, die viehstücke sollten ihre herren selbst wählen. dieser vorschlag gefiel den übrigen brüdern und die drei söhne baueten drei ställe und in diese drei ställe sollten die viehstücke selbst gehen, ohne von jemanden hineingetrieben zu werden, und die in einen der drei ställe gehen würden, sollten den eigenthümern des stalles gehören. die sache war abgemacht, und jeder bruder wartete das ende neugierig ab.

In die beiden ersten ställe gingen mehre thiere hinein, aber am allerwenigsten in den stall des jüngsten bruders. in diesen ging nur ein einziges schaf, welches ein haar ganz wie seide hatte. dieses haar hatte zudem noch die eigenschaft alle menschen zu fangen, welche das schaf stehlen wollten. auch andere mußten ankleben, wenn sie die ersteren nur berührten. mit diesem einen schaf war der junge bursche nicht unzufrieden, doch mochte er mit ihm nicht sonderlich viel erwirthschaften, darum machte er sich auf, verließ seine brüder und seinen stall und ging mit seinem schafe auf verdienst aus in die weite, weite welt.

Da kam er eines abends in einen pfarrhof und bat den geistlichen um nachtherberge. der geistliche hatte aber viele kinder und war zudem ein schlechter geistlicher, wenigstens kein guter christ. er schlug dem burschen die nachtherberge rund ab, doch als er sah, daß der bursche mit sich ein seidenhaariges schaf führte, gab er nach und stellte sich gar freundlich gegen ihn. er gab seinem schafe eine stelle im hofe und ließ den burschen auf sein bitten neben dem gutmüthigen thiere über nacht schlafen.

In der nacht schlief der bursche sehr stark, denn er war von seiner weiten tageswanderung sehr ermüdet, da weckte der geistliche einen sohn aus dem schlafe, damit dieser das schaf des guten burschen stehlen, und es weitwo verstecken sollte. der eine sohn ging in den hof zum schafe und streifte mit der hand an dem silberweißen haare, aber alsbald war der junge dieb gefangen. er schrie und schrie und dachte, der teufel müßte in das schaf gefahren sein, aber es half alles nichts; das schaf konnte nichts dafür, daß es solches haar trug und war auch nicht schuld, daß der pfarrerssohn einen so schlimmen und nichtswürdigen mann zum vater hatte.

Der pfarrer schickte nach einer halben stunde einen zweiten sohn, damit dieser nachsehe, wo denn der erste so lange sich aufhalte. der zweite sohn kam zum ersten und wollte ihn frei machen, aber auch ihn packten die seidenhaare des schafes fest und ließen ihn nicht los.

Darauf schickte der pfarrer seinen dritten sohn, später seinen vierten, fünften und sechsten sohn; aber alle kamen nicht wieder zurück. da weckte er seine töchter aus dem schlafe und schickte erst die eine, dann die andere, später die dritte und vierte tochter und dann auch sein weib, aber wer nicht zurück kam, war die familie des schlimmen pfarrers. und der schlimme pfarrer war der sache überdrüssig geworden und schaute endlich selbst in den stall, aber auch er fing sich an dem seidenhaarigen schaf. da half weder beten, noch fluchen, das diebsgesindel von pfarrerfamilie mußte buße thun, so ungefähr, wie es der herr pfarrer von seiner armen gemeinde verlangte.

Früh morgens erwachte der bursche aus dem schlafe, und sah mit verwunderung, was sich über nacht zugetragen hatte. er lachte laut und herzlich, ging in das haus des pfarrers und steckte alles geld in seine taschen, welches der schlimme priester von der armen gemeinde seit vielen, vielen jahren wie ein gemeiner dieb gestohlen hatte. und als der lustige bursche seine taschen über und über voll mit geld angefüllt hatte, trieb er sein schaf aus dem pfarrhof und mit diesem auch die ganze pfarrerfamilie. mit diesem spaßigen gefolge zog er in die weite welt und lachte mit, wenn andere über seinen zug lachten.

So kam ihm unterwegs ein mann entgegen, welcher eine hölzerne arbeiterschaufel trug. dieser mann lachte sehr über die dicke pfarrersfrau und gab ihr mit seiner schaufel einen leichten schlag. aber die schaufel blieb an der dicken pfarrersfrau angeklebt und an der schaufel der mann. das verdroß zwar den mann, aber es half nichts; er mußte mit.

Darauf kam ein reicher edelherr und als er den zug sah, lachte er so, daß ihm beinahe der bauch sprang. der reiche edelherr trug in der rechten eine reitgerte und schlug mit dieser auf den rücken des mannes. aber diese klebte an den rücken an, und an der reitgerte der reiche edelherr. so mußte dieser, der nur an bequeme spazierfahrten gewöhnt war, über stock und stein stolpern.

Im lande herrschte ein könig, welcher nur eine tochter hatte. aber diese tochter öffnete niemals den mund zum sprechen, sie war zudem immer traurig und rieb und weinte sich jahr aus, jahr ein, die lieben äuglein purpurroth. der könig hatte lange vorher im ganzen lande verkündiget: ›wer meine tochter zum sprechen und zum lachen bringen wird, der soll sie zum weib und dazu noch eine hälfte meines königreiches zur belohnuog bekommen.‹ tausend schelme und spaßmacher zogen in schaaren herbei die königstochter zum sprechen und zum lachen zu bringen, aber nicht einer vermochte es. da ließ der bursche seinen zug vor der königsstadt stehen, und fragte den könig, ob er ihm erlauben würde der stummen und traurigen tochter eine lustige komödie vorzuführen. der könig besann sich nicht lange, und gab seine einwilligung. jetzt führte der junge bursche seinen spaßigen zug vor die fenster der königstochter. zuerst ging das schaf und an dem schafe klebten die zehn kinder des pfarrers und an den zehn kindern klebte der schlimme pfarrer selbst und die frau pfarrerin, an der frau pfarrerin der mann mit der arbeiterschaufel und an dem mann mit der arbeiterschaufel der reiche edelherr, sammt seiner reitgerte. als die königstochter um das seidenhaarige schaf die bunte Versammlung gewahrte, schrie sie laut: ›vater! vater komm doch schnell zu meinem fenster,‹ und fing so stark zu lachen an, daß sie sich beinahe das herz abstieß.

Als die schöne königstochter aber zu sprechen und zu lachen anfing, stob der ganze zug auf einmal auseinander, denn der zauber wartete nur darauf, dem könig freude, viel freude zu verursachen. jetzt holte man den lustigen burschen mit seinem schafe in die königsburg und in weniger als drei tagen hat der bursche neben der schönen königstochter als gemal, und als mitkönig des alten königs auf dem throne sitzen müssen. da war der bursche hoch erfreut und hielt von seinem schafe noch mehr, als wie der alte könig von seinen ministern.


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