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Der Vogel des Paradieses - Märchen von Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal


Der Vogel des Paradieses

Ein alter König hatte von dem Vogel des Paradieses gehört, wer den habe, würde wieder jung. Er wäre so gerne wieder jung geworden, nur wußte er nicht, wie er dieses Vöglein erhalten solle. Er hatte drei Söhne, zwei große, und einer war kleiner. Die beiden älteren kamen zum König und sprachen: »Wir gehen in die Welt und suchen das Vöglein des Paradieses, gib uns Kleider zum Auskommen und Pferde zum Reiten und Geld für unsere Ausgaben und 100 Reiter.« Der Alte gab ihnen, was sie wünschten, dann ritten sie fort und hinterließen, wenn sie in sechs Jahren nicht zurückkämen, wären sie verdorben. Als sie nun zogen, kamen sie in einen Wald, in der Mitte des Waldes war eine schöne Wiese und ein Brunnen, dort machten sie halt, um auszuruhen. Sie zogen ihre Speisevorräte hervor um zu essen, nur einmal kam ein alter Mann (es war Gott) und sprach: »Guten Tag, laßt ihr mich auch ein wenig ausruhen hier bei euch?« – »O nein, wir lassen dich nicht, sieh, wir sind viele und haben allerlei, damit nicht etwas verlorengehe«, sagten beide Brüder. Da machte Gott mit der Hand eine Bewegung, und alle wurden Steine.

Als sechs Jahre vorüber waren, kam der jüngste zu seinem Vater und bat ihn, er solle jetzt ihm erlauben, er solle das Vöglein des Paradieses suchen und auch seine Brüder. »Jetzt soll ich auch dich lassen, auch du wirst zugrunde gehen.« – »O nein, ich gehe nicht zugrunde, ich gehe mit Gottes Hilfe. Du sollst mir nur das Pferd und die Kleider geben, die du in deiner Jugend gehabt und Geld für meine Ausgaben, dann gehe ich allein.« Als der König sah, daß es ihm Ernst sei, gab er ihm, was er brauchte, dann ging er mit Gott.

Als er ritt, kam auch er in den Wald zu dem Brunnen und setzte sich nieder, um zu essen, aber er hatte nichts mehr als eine Brotkruste, Geld aber hatte er genug. Aber mit allem Gelde hätte er im Walde vor Hunger sterben können, im Walde kann man nichts kaufen. Als er anfing, an der Kruste zu nagen, kam wieder der alte Mann und wünschte ihm einen guten Tag. »Ich danke Euch, alter Großvater.« – »Läßt du mich auch ein wenig bei dir ausruhen?« – »Wie sollte ich nicht, es gehört ja Gott, nage auch du ein wenig an meiner Kruste, ich habe nichts Besseres, hier im Walde bekommt man nichts, auch Euch wird es so gehen. Kommt, es ist mir nicht wohl, wenn Ihr nicht auch ein wenig nehmt.« Der Alte wollte nicht, als aber der Bursch keine Ruhe ließ, nahm er die Kruste an den Mund, und wie er sie an den Mund genommen, wuchs das Brot zu einem großen Stück. »Bis wohin hast du den Weg«, fragte der Alte, obwohl er es ja wußte, er wußte auch, wie es ihm weiter gehen würde. »Schau, alter Großvater, so und so«, und sagte ihm, wohin er gehe. »Nun, dies trifft sich gerade gut, auch ich gehe diesen Weg, ich kann dir ihn zeigen, aber das Paradies ist sehr weit.« – »Komm, Alter, setz dich aufs Pferd, ich habe junge Füße, und mit Gottes Hilfe erreiche ich es auch zu Fuß.« Diese Worte gefielen Gott, und er sprach: »Setz du dich nur auf, ich bin es nicht gewohnt.« Jetzt gingen sie zusammen und gingen, bis sie an eine hohe, hohe Tanne kamen. Ihre Spitze konnte man fast nicht sehen, und sie hatte keine Äste bis in die Spitze. »Steig hinauf, dann wirst du das Licht sehen im Paradiese. Sieh dann gut zu, wo der Weg ins Paradies geht.« – »Aber wie soll ich hinaufsteigen, die Tanne hat keine Äste?« – »Steig nur hinauf, mein Sohn, du mußt hinaufsteigen, sonst findest du den Weg zum Paradiese nicht.« – »Wenn du so sagst, will ich ja mit Gottes Hilfe versuchen.« Wie er sich der Tanne näherte, bekam sie lauter Äste, daß er hinaufsteigen konnte wie an einer Leiter. Er stieg bis in die Spitze, da sah er weit, weit ein Licht. Er besah es gut, dann stieg er wieder herunter. »Weißt du jetzt, wohin wir gehen sollen, mein Sohn?« – »Ich weiß, Großvater.« – »Dann komm, daß wir gehen.« – »Großvater, komm, sitz auf, es ist zu weit, du ermüdest zu stark.« – »O nein, ich ermüde nicht, ich bin es gewöhnt.«

Sie gingen und gingen, bis sie an die Türe des Paradieses kamen, dann sagte Gott: »Jetzt gehe leise hinein, gleich hinter der Türe steht ein goldenes Nest, in dem Nest liegt der Vogel, ihn nimm, aber das Nest nicht, es wird dir rufen: ›Nimm mich auch‹, aber du darfst die Hand nicht danach ausstrecken, sonst ist es nicht gut, das ganze Paradies wacht auf, dann bekommst du es nicht.« Er ging hinein, Gott atmete einen warmen Wind, um die Hüter des Paradieses einzuschläfern. Als er hineingetreten, nahm er den Vogel, aber das Nest rief auch: »Nimm auch mich, du kannst ohne mich nichts machen.« Er streckte die Hand nach dem Neste aus, nur einmal strahlte das ganze Paradies so hell, daß die Wächter erwachten und sagten: »Na, pack dich hinaus aus dem Paradies, bis du uns nicht den Hengst vom Negru Dovedit bringst, geben wir dir den Vogel nicht.« Der Jüngling kam heraus und sagte es dem Alten. »Siehst du, wenn du nicht gefolgt hast. Aber wir wollen auch dies machen.« Sie gingen weiter, bis sie an den Stall kamen, wo der Hengst des Negru Dovedit stand. Gott sprach zum Burschen: »Jetzt geh hinein, aber du sollst dich nicht unterstehen und auch den Sattel nehmen, sonst geht es dir wieder so.« Gott atmete einen warmen Wind, daß alle Hüter einschliefen. Der Bursch ging in den Stall und nahm den Hengst, nur einmal rief der Sattel hinter ihm: »Nimm auch mich, ohne mich kannst du doch nichts anfangen.« Dieser legte die Hand an den Sattel. Nur einmal strahlte der ganze Stall so hell, daß alle Wächter erwachten und riefen: »Dann wirst du das Pferd nehmen, wenn du den Säbel vom roten König bringst.« Der Jüngling kam ohne Pferd heraus. »Siehst du, wenn du wieder ungehorsam warst. Aber jetzt komm, vielleicht können wir auch den Säbel erhalten.« Sie gingen wieder, noch weiter, bis zum Hause des roten Königs, da sagte der Alte: »Hör auf mich, mein Sohn, und nimm nur den Säbel ohne die Scheide, sonst geht es wieder schlecht.« Als der Bursch hineinkam, schlief der rote König am Tisch, neben ihm hing der Säbel in der Scheide an der Wand aufgehängt. Dieser zog ihn schnell heraus, nur einmal sagte die Scheide: »Nimm auch mich, ohne mich kannst du nichts anfangen.« Er legte die Hand auf die Scheide, nur einmal war das ganze Zimmer erleuchtet, daß der König erwachte und sprach: »Dann wirst du den Säbel erhalten, wenn du mir die Tochter des grünen Königs bringst.« Dieser ging hinaus. »Nun, siehst du, wenn du mir nicht gefolgt hast! Komm jetzt, daß wir zum grünen König gehen.«

Sie gingen weit, weit, bis sie an ein großes Wasser kamen, ohne Brücke, aber der Alte blies einmal, und gleich stand ein Schiff da mit schönen Waren, wie man noch nie gesehen, sie funkelten, wie die Sonne. Sie stiegen ein und fuhren an das andere Ufer. Nur einmal sah der Kaiser aus dem Fenster, welch ein schönes Ding da auf dem Wasser lag, und schickte die Magd, zu sehen, was da sei. Als sie hinkam, konnte sie sich nicht verständigen, denn diese redeten eine andere Sprache. Darauf sagte der König, seine Tochter müsse gehen, weil sie auch andere Sprachen verstehe. Sie ging und stieg ins Schiff, nur einmal, bis sie eins und das andere angesehen, ging das Schiff zurück. Als sie nun alle drei fortfuhren, schien es dem Jüngling, das Mädchen sei schön, als ob es auch ihm gefallen würde. Er sagte es dem Alten. Dieser sprach: »Nun, wir wollen ja sehen, vielleicht bleibt sie dir.« Nun kamen sie zum roten König, der schlief, der Bursch nahm jetzt nur den Säbel, und als er hinausging, kam auch die Scheide hinter ihm. Als er zu den beiden hinaustrat, sprach er: »Der Säbel ist schön, ich möchte ihn gerne behalten.« – »Vielleicht bleibt er dir.« Sie gingen weiter, zum Negru Dovedit. Als er hineinkam, schliefen alle, er nahm nur das Pferd, aber der Sattel kam hinter ihm. Als er zum Alten kam, sprach er: »Es würde mir leid sein, ich sollte dieses Pferd den Hütern des Paradieses geben, gerne behielt ich es für mich.« – »Wir wollen sehen, vielleicht bleibt es dir.« Jetzt kam er ins Paradies. Auch hier schliefen die Hüter, er nahm den Vogel, das Nest kam hinter ihm. Gut.

Er setzte sich auf seines Vaters Pferd, die Tochter des grünen Königs auf das des Negru Dovedit. Und nun zogen sie heimwärts. Als sie zum Brunnen auf der Wiese kamen, nahm der Alte Abschied, er gehe einen andern Weg. Da sprach der Jüngling: »Wo soll ich doch meine Brüder finden, ich sehne mich so nach ihnen.« – »Das ließe sich leicht machen, aber das sind schlechte Menschen, sie werden zornig über dich, wenn sie sehen, daß du den Vogel des Paradieses gefunden.« – »Wenn sie mich meinetwegen auch umbringen sollten, möchte ich sie doch noch einmal sehen.« Gott besprengte die Steine, und gleich standen die Brüder neben ihm. Als sie hörten, wie und was, wurden sie sehr zornig und beschlossen, ihren jüngsten Bruder zu töten und in den Brunnen zu werfen. Und so machten sie es auch. Dann zogen sie nach Hause, aber das Vöglein des Paradieses wollte nicht singen und saß immer traurig im Nest, und der König wurde immer älter, so daß er fast nicht mehr sehen konnte, die Tochter des grünen Königs redete nichts und sah immer auf die Seite. Aber Gott zog den Burschen aus dem Brunnen und machte nur mit der Hand, und gleich stand er auf: »Ach, wie gut hab ich geschlafen.« – »Gut, wirklich, wäre ich nicht gewesen, würdest du auch nie mehr erwacht sein.« Er dankte Gott und ging dann heimwärts. Als er zu Hause den Fuß auf die erste Stufe setzte, fing der Vogel ein Lied an zu singen, und wie er auf die zweite trat, sang der Vogel das zweite, und der König fing an zu sehen. Als sein jüngster ins Zimmer kam, sang der Vogel so schön 99 Lieder, so daß der König so jung wurde wie ein 15jähriger Knabe. Er fragte: »Wo bist du so lange geblieben, mein Sohn?« – »Nun sieh, Vater, so und so ist es mir ergangen«, und erzählte ihm alles. »So ist also diese Sache? Darum steht das Pferd niemandem, komm, daß wir sehen.« Sie gingen in den Hof, als der Hengst seinen Herrn sah, stellte er sich gleich neben ihn, ruhig wie ein Lamm. Das Mädchen fing gleich an zu plaudern und war fröhlich. Dann machten sie Hochzeit. Aber die falschen Brüder band man an die Schwänze von Hengsten und jagte sie durch die Stadt, daß lauter Staub aus ihnen wurde.



Iuon Bîrsan, Alzen


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