Der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt soll einmal gesagt haben, es gäbe zwei extrem schwere Sprachen in Europa: Portugiesisch und Ungarisch. Portugiesisch sei schon furchtbar schwierig, aber Ungarisch sei dermaßen schwer, dass es nicht einmal die Portugiesen mehr verstünden. Damit hatte der gute Mann nicht unrecht, denn Ungarisch wird auf inoffiziellen Ranglisten der am schwierigsten zu erlernenden Sprachen auf dem vierten Platz geführt (hinter Chinesisch, Arabisch und Tuyuca, einer Sprache des östlichen Amazonas).
Herkunft und Verbreitung der ungarischen Sprache
Seit dem 18. Jahrhundert vermuten Sprachforscher, dass das Ungarische gemeinsam mit dem Mansischen und dem Chantischen dem ugrischen Unterzweig der finno-ugrischen Sprachen zuzuordnen ist. Chantisch und Mansisch wird in Westsibirien gesprochen. Dort wurde die gemeinsame ugrische Sprache wahrscheinlich vom Ende des 3. Jahrtausends vor Christus bis Anfang des 1. Jahrtausends vor Christus gesprochen. Neben der Verwandtschaft mit der sibirischen Sprache soll Ungarisch auch mit dem Finnischen und dem Estnischen einen gemeinsamen Ursprung haben. Wer allerdings denkt, dass ein Ungar mit einem Finnen problemlos plaudern kann, hat sich geirrt. Der gemeinsame Ursprung der beiden Sprachen liegt Tausende Jahre zurück, deshalb ist das Finnische dem Ungarischen gerade mal so ähnlich wie das Deutsche dem Persischen.
Bis zum 9. Jahrhundert lebten die Ungarn (Magyaren) in engem kulturellen Kontakt zu ihren turksprachigen Nachbarn; deshalb hat es von dieser Seite wohl einen entsprechenden Einfluss auf die Sprachentwicklung gegeben. Die ersten Inschriften werden aufs 9. Jahrhundert datiert. Damals bedienten sich die Magyaren noch der ungarischen Runenschrift. Erste Schriftnachweise für ungarische Wortverbindungen wurden in einer benediktinischen Stiftungsurkunde in Tihany entdeckt. Dieses Schriftstück stammt aus dem Jahr 1055.
Die ungarische Sprache ist hauptsächlich im südmitteleuropäischen Raum verbreitet. Sie wird von mehr als 13,5 Millionen Menschen gesprochen. Alternativen Schätzungen zufolge sollen es sogar mehr als 15 Millionen Menschen sein. Ungarisch ist sowohl Amtssprache in Ungarn als auch eine der Amtssprachen in der EU (seit 2004).
Die Besonderheiten der ungarischen Sprache
Dass Ungarisch nicht leicht zu erlernen ist, wurde oben schon erwähnt. Das hat auch seinen Grund. Dadurch, dass Ungarisch nicht zu den indogermanischen Sprachen gehört (wie die meisten europäischen Sprachen), ist es für uns Europäer nicht leicht, sich mit den Eigenarten der Sprache anzufreunden. Die indogermanischen Sprachen gleichen sich in Grammatik, Wortschatz und Flexion, weshalb es für uns leichter ist, zum Beispiel Italienisch oder Französisch zu erlernen.
Ungarisch ist nicht nur aufgrund des Wortschatzes schwierig zu erlernen (das ist noch die kleinste Hürde), es unterscheidet sich in vielen anderen Aspekten. Beispielsweise handelt es sich um eine agglutinierende Sprache - eine komplizierte Bezeichnung, die allerdings nichts anderes bedeutet, als dass viele Sätze in ellenlange Wortkonstrukte gepackt werden. Diese Wortketten bestehen aus einzelnen Elementen, die einer klaren Regel folgen. Wer diese Methode einmal verinnerlicht hat, dem fällt das Ungarische gar nicht mehr so schwer.
Bei ungarischen Wörtern liegt die Betonung stets auf der ersten Silbe; und das ausnahmslos. Zudem gibt es im Ungarischen keine Präpositionen und fast keine Hilfsverben. Außerdem fehlt eine Zuordnung zu Geschlechtern, es wird also nicht zwischen "er", "sie" oder "es" unterschieden. Ein Umstand, der manchen Übersetzer an den Rand der Verzweiflung bringt. Im Ungarischen gibt es ganze 27 Fälle, von denen nur drei eine Entsprechung im Deutschen haben. Manche Sprachwissenschaftler sprechen sogar von 40 Fällen. Die Experten sind sich aufgrund der Besonderheit der Wortbildungen in diesem Punkt nicht einig.
Eine weitere Besonderheit im Ungarischen ist die Methode der Mehrzahlbildung. Ausnahmslos alle Substantive bekommen in der Mehrzahl hinten ein "k" angehängt. Nur der Vokal der Endung ist gemäß dem entsprechenden Stammvokal veränderlich. Im Gegensatz zum Deutschen gibt es im Ungarischen nur eine Vergangenheits- und eine Zukunftsform. Das macht das Erlernen der Sprache zumindest in diesem Punkt um einiges leichter. Da Ungarisch trotz der vielen komplizierten Eigenheiten eine sehr logische Sprache ist, ist das Erlernen nicht mehr ganz so schwierig, wenn man die besonderen Gesetzmäßigkeiten einmal verinnerlicht hat.