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Die Sprache des Frank-Walter Steinmeier

Tipp von Redaktion
Es betrifft politische Leistungsträger jeder Couleur: Ihr wichtigstes Werkzeug ist die Sprache. In schöner Eintracht besitzen sie Fähigkeit, mit klar erscheinenden Sätzen möglichst wenig Unverfängliches und Klares zu sagen. Doch wie immer gibt es Ausnahmen von dieser Regel - gehört Frank Walter Steinmeier dazu?

Die Sprache des Präsidenten

Rednern, die ihren Adressaten mit Authentizität entgegenkommen, fällt ihre Mission leichter. Je mehr echtes Engagement, umso besser der Stand im Kreis führender Politikeliten.

Das weiß auch Frank Walter Steinmeier: verbindlich, direkt, faktisch - und für viele ganz unspektakulär gestaltete er bis dato seine sprachlichen Auftritte. In seiner Überzeugungsarbeit verwendete er in seinem Amt als Außenminister ganz bestimmte stilistische Mittel, die Sprachanalytikern oft zu distanziert erschienen. Mit monotoner Stimme verkündete er vor einem Palast, einer Flagge oder einem Flugzeug in diplomatisch mehr als dreifach versiegelten Reden, warum die große weite Welt so komplex ist - und warum Lösungen so schwierig ablaufen. Dialoge seien das Nonplusultra.

Hunderttausende Kilometer flog er fleißig hin und her. Mit seinen Reden war er das Gesicht Deutschlands, der überall als geachteter, hochgebildeter und besonnener Emissär auftrat. Alles, was er sprach, erschien stets ernst und wichtig.

Überall Respekt und hervorragende Beliebtheitswerte - dabei gilt Steinmeier als mäßiger Redner und als Vortragskünstler gar als Meister der Langeweile. Warum eigentlich?

War das Leidenschaft?

Wo stehen Sie genau? Dem Chefdiplomaten fehlte es an offenen, leidenschaftlichen Worten - dem obersten Beamten stehen nun aber erst recht nur mächtige Worte zur Verfügung. Der Bundespräsident muss damit Debatten und Diskussionen anstoßen, die womöglich gegen den allzu bequemen Mainstream gerichtet sind.

"Nichts kommt von selbst und nur wenig ist von Dauer", zitiert er Willy Brandt und meint damit Demokratie und Freiheit in der heutigen Zeit. Dieser Maxime entsprechend will er Brücken bauen, Konflikte befrieden, Interessen ausgleichen. Aber die Wütenden von links und von rechts sehen in Steinmeier einen direkten Vertreter eben jenen Establishments, das sie vehement bekämpfen. Statt eines fruchtbaren Dialogs über die Grenzen unserer gesellschaftlichen Schichten erwartet man vom obersten Beamten des Staates Reden in der Mitte für die Mitte.

Dem begegnet der Bundespräsident, wenn er vernachlässigte Kontakte generiert, vernachlässige Orte aufsucht, gut zuhört und den Fokus auf die glaubwürdige, authentische Rede legt. Ausschlaggebend sind die sprachlichen Mittel.

Motivation vs. Tadel

Der Bundespräsident soll die Nation gerade in unseren weniger ruhigen Zeiten zusammenhalten. Leeren Phrasen und Parolen im politischen Ton muss er entgegentreten, um den Zielen der stabilen demokratischen Friedensgesellschaft zu dienen: Verantwortung, Mut und Vertrauen.

Er muss die Menschen motivieren, anstatt sie mit vollendeten Tatsachen zu konfrontieren. Ein lapidares "Wir schaffen das" ist dabei ebenso kontraproduktiv wie ein direkter Fingerzeig auf die Bevölkerung à la "Das Volk ist das Problem". Vielmehr muss Steinmeiers Sprache darauf gerichtet sein, die Menschen in die Appelle zu integrieren. Redeinhalte und Pflichten gegenüber den Bürgern müssen dabei unzweideutig übereinstimmen. Der Bundespräsident muss ein Mitbürger sein. Aber warum ist das so wichtig?

Einer von uns

Es kommt darauf an, den Inhalt einer Rede mit Wahrhaftigkeit zu unterstreichen. Das baut Barrieren zwischen dem Amt und der Bevölkerung ab und schafft peu à peu Verbindungspunkte. Dabei muss Steinmeier diese Verbindungspunkte in seinen Reden nicht immer wieder benennen. Es reicht vielmehr aus, an richtigen Stellen das eindeutige stilistische Mittel der "Wir-Perspektive" einzusetzen.

Die "Wir-Perspektive" eröffnet den Vorteil, alles Ausgesprochene auf Redner und Auditorium gleichermaßen projizieren zu können und das ungleiche Gefüge der Macht zwischen Frank Walter Steinmeier und der Bevölkerung gleichsam abzuschaffen. Dann ist er einer von vielen.

Unpassendes passend machen


Ein "Wir-Gefühl" ist gefragt.

"Und wenn wir anderen Mut machen wollen, dann brauchen wir auch selber welchen." So lautet ein Steinmeier-Zitat aus seiner Antrittsrede als Bundespräsident. Es greift die Bedürfnisse der Menschen nach emotionaler Klarheit auf; und erst so kann Vertrauen aufkommen. Ungleichen Machtverhältnissen zwischen dem Redner und seinem Publikum zum Trotz entsteht Identifikation: "Am Ende des Tages" erscheint Steinmeier als Bürger, als Freund und Nachbar.

Hilfreich sind zudem rhetorische Fragen nach dem "guten Mut", den doch alle in Deutschland haben können. Informationen enthält die Fragestellung nicht, vielmehr provoziert sie eher. Sie ruft Zustimmung oder Ablehnung hervor. Wird sie clever in den richtigen Kontext gesetzt, ist sie eher ein Todschlagargument als eine Frage.

So benutzt sie Frank Walter Steinmeier bewusst, um Räume für Pessimismus abzuschaffen, weil es doch nirgends auf der Welt chancenreicher zugeht als eben bei uns.

Er spricht aber auch von Angst und Sorge um die Sicherheit. Als Realist kennt er sämtliche internationale Krisenherde und er formt seine Sprache wohltuend sachlich, präzise. Im Gegensatz zu seinem oft schwadronierenden Vorgänger setzt er dabei auf ein gebildetes Publikum, dem er sagen kann, was er meint.

Storytelling-Elemente und Performance

Frank Walter Steinmeier frischt seine Sprache an passenden Stellen mit verschiedenen Anektoten und Geschichten auf. Das macht sie bildhafter, ohne sie mit Emotionen zu überfrachten.

Seine Sprache will Mut machen - nebenbei bemerkt hat er selbst jede Menge Möglichkeiten, eben diesen Mut unter Beweis zu stellen.

Dabei ist seine Sprache sein Hauptwerkzeug - aber auch die Performance des Redners ist wichtig. Sie soll die Inhalte deutlich unterstreichen. Festzustellen sind diesbezüglich Schwächen in der Modulation. Steinmeier ignoriert im Fluss der Rede oft Pausen und Satzenden, was für den Zuhörer nicht nur anstrengend ist. Schließlich soll seine Sprache weit weg vom Dozierenden sein und nicht müde machen, sondern motivieren.



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