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Die Sprache des Christian Lindner

Tipp von Redaktion
Christian Lindner, seines Zeichens Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2017, hat im derzeitigen Wahlkampf eine besonders hohe Medienpräsenz. Während andere Parteien diverse medial erprobte Politiker haben, welche ihre Standpunkte in Interviews oder Talkshows vertreten können, scheint in der FDP kein Weg an Lindner vorbei zu führen. Offenbar ein Glücksfall für die Partei, denn nach der herben Niederlage in der letzten Bundestagswahl und dem Ausscheiden aus dem Parlament, werden die Liberalen aller Voraussicht nach wieder in den Bundestag einziehen.

Deshalb lohnt es sich einmal genau hinzuschauen und Lindners Ausdruck, Wortwahl und Gestik zu analysieren. Dies soll anhand von zwei Beispielen geschehen.

1. Rede zum Bundesparteitag am 28.04.2017

Eine komplette Analyse dieser 80-minütigen Rede ist wohl nicht zielführend, deswegen nur eine kurze Zusammenfassung mit Augenmerk auf einigen bemerkenswerten Aussagen:

Die Rede vor den eigenen Anhängern beginnt mit Kampfansagen. Lindner schwört sein Publikum auf den erneuten Einzug in den Bundestag und sogar die mögliche Regierungsverantwortung ein, dann lobt er sich und seine Partei für die Erfolge in den letzten vier Jahren außerparlamentarischen Opposition.

Bereits nach fünf Minuten richtet er seine Aufmerksamkeit auf den politischen Gegner und findet dafür scharfe Worte: "Aber welches große Problem hat die große Koalition gelöst? Sie hat kein großes Problem gelöst, sondern sie hat im Gegenteil neue große Probleme geschaffen, weil sie nichts getan hat. In diesen bewegten Zeiten ist Stillstand Machtmissbrauch." Applaus aus dem Saal. Ein ungewöhnlich harter Vorwurf an die große Koalition, zumal die führende Union nach wie vor bevorzugter Koalitionspartner für die FDP nach der Wahl ist. Schnell schiebt er darum nach: "Ist eine Form des Machtmissbrauchs." Dies ist eine Art der Beschwichtigung die Lindner an dieser Stelle zu Gute kommt, da die harte Aussage am Anfang, die vielen Menschen imponiert, weiterhin im Fokus der medialen Aufmerksamkeit bleibt, er sich aber jederzeit auf die Abschwächung berufen kann. Bei Medienprofis wie Lindner sind solche Konstellationen sicherlich kein Zufall, ebenso wenig wie das omnipräsente Motiv des Fortschritts, wofür die FDP wie keine zweite Partei steht.

Eine halbe Stunde später sagt Lindner bezogen auf die Regierungstätigkeiten in NRW: "Unmittelbar nach der Landtagswahl, unsere erste Initiative wird ein Entfesselungsgesetz sein, mit dem wir alle Standards auf europäisches und Bundes-Niveau zurücknehmen und den ganzen grünen Krempel abwickeln." Zwei Dinge fallen hier auf.

Erstens ist es reichlich kühn, Regierungsarbeit im Land und im Bund zu vergleichen. Hinzu kommt, das es bei dieser Aussage um das lokale Thema Industrieabeiter in Nordrhein-Westfalen ging. Dies kann daher wohl nicht als Referenz für Wirtschaftspolitik im Bund herangezogen werden.

Zweitens befinden sich die Grünen in NRW in einer ähnlichen Position wie die Bundes-FDP. Als Juniorpartner in der Regierungskoalition gewesen und bei der Wahl abgestraft. Solche Fehler passieren den kleinen Parteien regelmäßig. Natürlich kritisiert Lindner die Konkurrenz auf dem Parteitag trotzdem genüsslich. Er muss ja Stärke demonstrieren.

Nach einer langen Rede und unzählbar vielen Themen geht Lindner auf mögliche Koalitionsbildungen nach der Wahl ein. Er wirbt für die Eigenständigkeit seiner Partei und erklärt, dass nur die Freien Demokraten für soziale Marktwirtschaft, Gerechtigkeit und Toleranz stehen. Im Gegensatz zu SPD, CDU/CSU und Grünen schließe die FDP keine Koalition aus, weder mit den Linken, noch mit der AFD, so Lindner. Man wolle sich aber nicht zum "nützlichen Idioten" für eine Mehrheit machen lassen. Es gibt langen Applaus aus dem Auditorium, der langsam ins Rhythmische abgleitet. Das steht für eine gewisse Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von der Union. Gleich darauf relativiert Lindner erneut seine unmittelbar davor getroffenen Aussagen. Gerüchte, nach denen das Verhältnis zur Union zerrüttet sei, weist er ab.

Am Ende der Rede noch einmal minutenlanger Applaus.

2. Rede auf dem politischen Frühschoppen auf dem Volksfest Gillamoos in Abensberg am 04.09.2017

Als Kontrast zu der Rede vor den eigenen Anhängern soll es noch kurz um eine aktuelle Rede Christian Lindners vor Bürgern, also potentiellen Wählern gehen.

Weniger kampflustig wirkt Christian Lindner hier, der Blick deutlich freundlicher. Er hält ständigen Blickkontakt zu den Zuhörern.

Eingangsthema ist das kürzlich ausgetragene Kanzler-Duell, welches er als "Kanzler-Duett" bezeichnet. Er würde als erstes "die Moderatoren abwählen", so Linder weiter. Gleich zwei Kalauer in den ersten Minuten. Lindner demonstriert hier, warum die FDP derzeit hoch in der Gunst der Wähler liegt. Er versteht es, den Konsens geschickt in zitierbare und denkwürdige Aussagen zu verpacken, so dass man gar nicht anders kann als zu schmunzeln und anerkennend zu nicken.

Lindner gibt den Wählern auch hier mehrfach zu verstehen, dass die FDP für Fortschritt in einer sich verändernden Welt steht. Wir leben laut ihm in "Zeiten des Wandels" oder in einer "explosiven Zeit". Das klingt sehr dringlich und beinahe gefährlich. Die Zuhörer sind beeindruckt.

Fazit:

Die FDP hat auf das richtige Pferd gesetzt. Lindner ist eine Profi und beherrscht sowohl die Motivation der eigenen Reihen, als auch die Begeisterung der Wähler. Dabei steht er symbolisch für den neuen aggressiven Kurs der Liberalen.

Quellen:
https://www.youtube.com/watch?v=fozId1SybhY
https://www.youtube.com/watch?v=6gFY0Dznj0U



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