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Die Sprache des Gregor Gysi

Tipp von Redaktion
Gregor Gysi versteht es rhetorisch stets auf dem schmalen Grat zwischen komplexen, gut begründeten Analysen oder Argumenten und prägnanten, leicht verständlichen und klaren Aussagen zu wandeln. Das gepaart mit seinem ironischen und nicht selten auch selbstironischen Humor vermitteln Volksnähe, ohne dass Gysi dabei populistisch wirkt. Im Gegenteil: Es lässt ihn eloquent, aber nicht abgehoben wirken. Ferner neigt Gysi dazu, das Problem bzw. das Argument für seine These seiner eigentlichen Aussage voranzustellen. Er stellt zunächst die Problematik vor und gibt dann erst seine persönliche Meinung, wie diese zu lösen wäre, an oder etabliert den Beleg für sein Argument als Fakt, ehe er das eigentliche Argument vorträgt. So entsteht nicht - wie bei vielen anderen Politikern - der Eindruck, die politische Linie bestimme, welcher Probleme man sich wie annehme, sondern das Erkennen der Problemlösung bestimme die politische Linie.

Ein exemplarisches Beispiel für Gysis Rhetorik bildet etwa eine persönliche Stellungnahme Gysis aus einer Aktuellen Stunde zur Überwachung von MdB der LINKEN durch das Bundesamt für Verfassungsschutz am 26. Januar 2012:

"Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass ich die Aussage, dass ich nur beobachtet werde, falsch finde, Herr Bundesinnenminister."


Dieser erste Satz legt erst einmal nur das Thema der noch folgenden Argumentation fest. Wie bei vielen seiner Reden, Stellungnahmen und Kurzinterventionen im Deutschen Bundestag pickt Gysi sich gezielt einen Adressaten aus der Regierungskoalition heraus, in diesem Fall den damaligen Bundesminister des Innern Hans-Peter Friedrich. Oft gehen Gysis Reden aber auch an die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Berühmt geworden ist etwa der Satz: "Und, Frau Bundeskanzlerin, ich weiß nicht, wo Sie gerade wieder rumturnen ..."

Durch diesen rhetorischen Kniff erreicht Gysi zwei Dinge:

1. Er nötigt, den politischen Gegner zu irgendeiner Art der Reaktion und sei sie nonverbal. Sieht man sich die Aufzeichnungen der Bundestagssitzungen an, merkt man, dass die Rechnung aufgeht. Der Schnitt geht umgehend von Gysi zum Adressaten.

2. Gysi gibt zudem dem Bobachter der Debatte einen klaren Gegenpart, auf den er sich konzentrieren kann. Er legt Protagonist und Antagonist seiner Rede fest und richtet sich nicht an ein ohnehin selten folgendes Plenum. Die Rede wirkt nicht wie einfach in den Raum gestellt.

Als nächstes etabliert Gysi das Problem:

"Sie können mir nicht erklären, weshalb auf zig Blättern bei mir steht ‚Sperrvermerk: musste entnommen werden’ oder die Blätter sind vollständig schwarz. Wenn es nur öffentlich zugängliche Unterlagen sind, warum darf ich die dann nicht lesen?"



Spätestens mit der rhetorischen Frage sieht sich der Zuhörer gezwungen selbst zu reflektieren und kann, weil die Frage sehr suggestiv gestellt ist, kaum zu einem anderen Schluss kommen, als den, den Gysi gleich darauf präsentiert. So wird das Gefühl erzeugt, man wäre selbstständig zum selben Schluss gekommen wie Gysi, was wiederum Sympathie für ihn erzeugt. Im direkten Dialog mit Wählern nutzt Gysi ähnliche Fragestellungen auch, um ihnen Denkfehler bewusst zu machen. So erwiderte er einem Bürger, der erklärte, er wäre doch für sich verantwortlich und nicht für die Flüchtlinge und man könne nicht erwarten, dass deutsche Arbeiter die Flüchtlingskrise finanzierten, schlicht: "Als wir weniger Flüchtlinge hatten, ging’s Ihnen da besser?" Wenn man ehrlich ist, muss man sich eingestehen: Nein, Gehälter, Sozialleistungen und Subventionen haben sich nicht aufgrund der Flüchtlingswellen verändert.

Auf die rhetorische Frage folgt dann die Antwort bzw. das Fazit - im Falle der Stellungnahme vom 26. Januar 2012:

"Also, das ist doch einfach nicht hinnehmbar. Das ist doch nicht die Wahrheit, was hier gesagt worden ist."


Obgleich der Vorwurf beim zweiten Teil der Stellungnahme schon indirekt in der Einleitung steckt, ist der Passus im Großen und Ganzen ähnlich aufgebaut. Bemerkenswert ist aber, dass Gysi sich in gewissem Maße eines Whataboutisms bedient, wenn er fortfährt:

"Und ich möchte noch was sagen: Ja Sie haben recht. Ich habe abfällig über das Bundesamt für Verfassungsschutz, d. h. den Inlandsgeheimdienst gesprochen, aber ich sag’ Ihnen auch die Gründe: Seit Jahren passieren zehn Morde organisiert vom Rechtsterrorismus und dieses komische Bundesamt ist nicht in der Lage, einen einzigen Beitrag zu leisten, um sie zu verhindern, oder wenigstens mal darauf hinzuweisen, dass der Rechtsterrorismus dahintersteckt. Dazu sind sie nicht in der Lage. Aber 27 Abgeordnete meiner Fraktion, die könn’ sie die ganze Zeit beobachten ...

Die Untätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz angesichts von zehn Morden, lässt die Überwachung der Abgeordneten der Linken im Verhältnis natürlich albern wirken und legt eine politische Färbung als Grund für das Messen mit zweierlei Maß nahe. Dennoch stehen beide Vorgehensweisen nicht in Konkurrenz zueinander. Es dürfte zumindest schwer werden, zu beweisen, dass die Kräfte, die die Linke überwacht haben bzw. noch immer überwachen, andernfalls gegen die NSU genutzt worden wären.

Gysi schließt mit einem der für ihn typischen und flapsigen Sprüche:

"...und deshalb sage ich: Die sind ballaballa und ein Pfeifenverein! Und ich bleibe auch dabei."


Mit seinem Humor schafft Gysi sich Sympathien. Vor allem, weil er sich selbst nicht all zu ernst nimmt. Was etwa Bemerkungen wie diese zeigen:

"Frau Homburg, an Ihnen schätze ich am meisten, dass dieses Pult, wenn Sie vor mir gesprochen hat, danach hochgefahren werden muss. Das ist so selten der Fall."



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