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Die Sprache des Winfried Kretschmann

Tipp von Redaktion
Winfried Kretschmann war im Jahr 1979 eines der Gründungsmitglieder der Grünen in Baden-Württemberg. Seit dem Mai 2011 ist Kretschmann dort erster Grüner Ministerpräsident.

Wer sich mit der Sprache Winfried Kretschmann auseinandersetzt, fühlt sich mit der Feststellung, sie wäre wohl die wichtigste Waffe der Politiker, schnell ziemlich hilflos. Auch die Beschäftigung mit der schillernden Vergangenheit des Grünen-Politikers und jetzigen baden-württembergischen Landesvaters führt auf der Suche nach dessen Rhetorikkünsten in die Irre - denn längst wurden alle grünen "Schmuddelkinder" salonfähig.

Aber Rettung naht bei der Suche nach der Sprache des Winfried Kretschmann, weil sich der Stuttgarter Kabarettist Mathias Richling selbst als großen Kretschmann-Fan sieht. Er beschreibt Winfried Kretschmann als "Typ, wie es ihn kaum noch gibt in der Politik. Ich finde, wir brauchen mehr davon".

Als Ur-Schwabe ist Richling geradezu davon beglückt, dass man das Völkchen nicht mehr nur auf Spätzle, Kehrwoche und die "Sieben Schwaben" reduziert. Inzwischen wurde Kretschmann zu einem großen Exportschlager des "Ländles". Nur in einem Punkt hat Richling ein Problem mit dem Ministerpräsidenten: Es ist die Frisur - "es dauert, bis man die so hinbekommt …"

Dass Kretschmann alles besser weiß, passt dem Satiriker dagegen ziemlich gut.

Der Oberlehrer

Insider berichten immer wieder vom tiefen Misstrauen, dass Berliner Spitzenpolitiker dem Grünen Winfried Kretschmann entgegenbringen. Besonders sein vermeidlich "oberlehrerhaftes Verhalten" missfällt den Grünen in der Hauptstadt - und dass, obwohl sich Kretschmann selbst immer wieder vehement gegen allfällige Belehrungsversuche von Politikern ausspricht:

"In der Politik darf man nicht pädagogisieren. Das muss man sich strikt abgewöhnen".

Pfeifen im Walde? Denn dann schränkt er gleich wieder ein: Die Welt zu erklären, sei ihm ein sehr wichtiges Anliegen. Oberlehrerhaft erscheint er hin und wieder - das ist es aber nicht allein. Bezogen auf die allfälligen Sprechblasen und den Worthülsen in der Politik hat Winfried Kretschmann keinesfalls ein Alleinstellungsmerkmal.

Schiefe Metaphern, Sprechblasen und Worthülsen

Auch bei Kretschmann erscheint die politische Sprache als Ausdruck deutlicher Widersprüche: Während seine Worte die Menschen erreichen und womöglich auch überzeugen sollen, verwendet er gern verbale Mittel, die genau das ausschließen. Beispiel gefällig?

"Wenn die Grenze zwischen innen und außen verschwimmt, dann muss man aufpassen, dass damit nicht auch der Parlamentarismus weggespült wird, sondern im Gegenteil, ich glaube, ich weiß, Sie, die Parlamentarier, müssen die Fährleute zwischen den beiden Ufern, von innen und außen, sein."

Fährmann, hol über! Ist das klare Rhetorik oder gar unverwechselbar? Auch Kretschmann greift unbeachtet aller Lagergrenzen munter in den Textbaukasten, um umständliche Formulierungen aufzubauen. Er will immerzu "gestalten", sogar Sachen und Vorgänge, die überhaupt nicht existieren - die Zukunft beispielsweise; und wie alle anderen Politiker ist auch er nie traurig, sondern stets nur "betroffen", wenn mal etwas Schlimmes passiert ist.

Die Spitze des Politikerdeutschs: "Das macht mich ein Stück weit betroffen."

Genau, als Blaupause - und am Ende des Tages müssen alle ihre Hausaufgaben machen …

Grün und Schwarz - oder Schwarz und Grün - oder was?


"Es handelt sich um einen ernsten Vorgang" - auch ein gern genommenes Politikerzitat, das Winfried Kretschmann allzu geläufig ist.

"Ja, ich glaube, das Land wird sich nicht verändern, gerade weil man grün gewählt hat, weil wir Grüne einfach alles das mitbringen, was man von der CDU erwartet hätte." So die Akklamation des Landesvaters.

Auf die Frage, wohin es denn aber ginge, die vielsagende Antwort Kretschmanns:

"Wichtig ist, dass man immer Leute hat wie Sie, die immer das Gleiche fragen, dann kann man auch immer das Gleiche antworten, dann fällt der Rest nicht so auf."

Nur alles so lassen, wie es ist. Sprachlich ist "Mehltau" angesagt - nicht nur aus Berlin, auch aus Kretschmanns Stuttgarter Kanzlei.

Ausbruch aus dem Sprachgefängnis?

Dabei hatte beim Amtsantritt alles so gut ausgesehen: Winfrid Kretschmann versprach einen ganz anderen Regierungsstil, auch von Tonalität und Kommunikation - den Ausbruch aus dem Sprachgefängnis.

Dann kamen ihm aber seine Oberlehrer-Attitüde und seine Vorliebe für Zitate bedeutender Persönlichkeiten aus Philosophie und Literatur in die Quere:

"Verantwortung und Augenmaß" ist so ein Zitat - allerdings fehlt noch die Leidenschaft am kompletten Max-Weber-Ausspruch. Nichtsdestotrotz will Winfried Kretschmann seine Sprache eben genau zwischen diesen beiden Polen wahrgenommen wissen: Verantwortung und Augenmaß für das Ländle, für die Autoindustrie, für Unternehmerinnen und Unternehmer, für die Landwirtschaft, die Umwelt, dazu mehr Gerechtigkeit, am besten für alle und Steuerentlastungen und Investitionen, am besten beides.

Das alles verkündet er und steht mitten im Phrasengewitter zwischen Parolen und Floskeln.

Ganz so war es allerdings nicht immer:

"Da sagte er nach der Wahl: Zu viele Autos sind nicht gut. Ein Riesentheater in diesem Lande. Die ganze Industrie wär schier zusammengebrochen, Daimler ist auf die Barrikaden: Was? Wie kann der sich das unterstehen, gegen Autos zu reden, wo wir das Autoland sind und es gibt also Arbeitslose jetzt, furchtbar! Dabei hat er nichts anderes gesagt als seit 40 Jahren. Das heißt: Die Öffentlichkeit - sowohl der Wähler wie auch die Journalisten - forcieren das natürlich, dass Politiker verschreckt werden, wenn sie nicht die Stabilität und den Charakter eines Kretschmann haben, dann ziehen sie sich zurück und werden eben nivellierte Leute, die in der Sprache im Grunde genommen nicht mehr erkennbar sind." um noch einmal den Kabarettisten Richling zu zitieren.

Dann bleiben Stabilität und Charakter eben auf der Strecke - und so fehlt heute in Winfried Kretschmanns inzwischen nivellierter Sprache die Leidenschaft.

Am Ende des Tages will er allerdings auch einen guten Job machen …



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