Wer Deutsch nicht als Muttersprache spricht, wird mit den Zeitformen nicht unbedingt vertraut sein. Selbst der Muttersprachler mag hin und wieder überlegen, ob er die Zeitform, die er in der Umgangssprache verwendet, auch wirklich richtig anwendet. Dabei lässt sich schnell ein Überblick über die deutschen Zeitformen gewinnen. Wir stellen fest: Es gibt zwar nur drei Zeiten:
Vergangenheit
Gegenwart
und Zukunft
aber an Zeitformen gibt es sechs an der Zahl. Während die Vergangenheit sich gleich mit drei Formen beschäftigt, braucht die Zukunft zwei. Die sechs Zeitformen stehen hier in einem Überblick:
Ein Blick auf diese Übersicht gibt dem Deutschlernenden aber immer noch nicht Aufschluss über die Häufigkeit der jeweiligen Zeitform in der gesprochenen Sprache. Schließlich will die praktische Anwendbarkeit der gesprochenen Sprache schnell gelernt sein. Dafür ist es sinnvoll, wenn der Schüler weiß, welche Zeitform häufig verwendet wird. Die zu lernende Sprache wird auf diese Weise etwas übersichtlicher in Hinsicht auf den praktischen Nutzen.
Abschließend lässt sich daraus zwar keine Regel ableiten, aber es können Beobachtungen gemacht werden, die auf eine typische Verwendung hindeuten. So trifft der Beobachter in der Alltagssprache bzw. Erzählsprache das Perfekt (vollendete Gegenwart) wohl häufiger an als das Präteritum. In der schriftlichen Sprache wird dagegen eher das Präteritum verwendet.
Das Perfekt
Bleiben wir aufgrund der Häufigkeit der Anwendung des Perfekts in der Erzählsprache erst einmal bei dieser Zeitform. Warum nennt sie sich vollendete Gegenwart? Sie heißt so, weil sie ein in der Vergangenheit abgeschlossenes Ereignis angibt, dessen Folgen aber in der Gegenwart Nachwirkung zeigen.
Beispiel:
Ich habe gegessen. (Nachwirkung in der Gegenwart: Jetzt bin ich satt.)
Ich bin gewandert. (Nachwirkung in der Gegenwart: Jetzt bin ich müde.)
Genau genommen geht bei der Bildung des Perfekts um eine zusammengesetzte Zeit. Sie heißt zusammengesetzt, weil ihre Form aus mehreren Wörtern besteht. Sie bildet sie mit den Verben
haben (Hilfsverb) oder sein (Hilfsverb)
und dem Partizip Perfekt (Es wird in den meisten Fällen mit dem Flexionspräfix ge- gebildet.)
Zu den zusammengesetzten Zeiten zählt aber nicht nur die Zeitform Perfekt. Auch die Zeitstufen der Vorvergangenheit (Plusquamperfekt) und die beiden Formen der Zukunft (Futur I und II) zählen dazu.
Es ist gut zu wissen, dass die überwiegende Zahl an Verben der deutschen Sprache das Perfekt und auch das Plusquamperfekt mit haben bilden. Doch für welche Verben gilt das genau? Zu unterscheiden sind reflexive Verben, transitive Verben,intransitive Verben, Modalverben und unpersönliche Verben.
Insbesondere gilt das für:
transitive Verben (zielende Tätigkeitswörter, die mit einem Akkusativobjekt zusammenstehen)
reflexive Verben (rückbezügliche Tätigkeitswörter, die angeben, dass sich ein Ereignis oder eine Tätigkeit auf das Subjekt in dem Satz rückbezieht)
unpersönliche Verben (dases der 3. Person Singular fungiert immer als Subjekt)
Modalverben (geben Auskunft über das Wie einer Handlung)
intransitive Verben (nicht zielende Tätigkeitswörter, weil nach ihnen kein Akkusativobjekt stehen kann)
Diese Beispielsätze bringen Licht ins Dunkel:
Transitives Verb: Ich habe dich gemocht.
Reflexives Verb: Ich habe mich interessiert.
Modalverb: Ich habe zur Schule gehen müssen
Intransitives Verb: Ich habegearbeitet.
Das Präteritum
Wenn die Zeitform Perfekt in der gesprochenen Sprache meistens gebraucht wird, stellt sich die Frage, wann das Präteritum (früher: Imperfekt) zum Einsatz kommt. Die Zeitform der Vergangenheit gibt ein in der Vergangenheit abgeschlossenes Ereignis an. Als Erzähltempus kommt es in Märchen, Novellen, Romanen und Erzählungen vor.
Beispiel:
Annette von Droste-Hülshoff, 1797 auf Burg Hülshoff bei Münster geboren, prägte die deutschsprachige Dichtkunst des 19. Jahrhunderts. Bekanntheit erlangte sie mit der Novelle Die Judenbuche und mit der Veröffentlichung anderer Balladen. Sie starb 1848 in Meersburg.
Die Bildung dieser Vergangenheitsform erfolgt teils regelmäßig und teils unregelmäßig. Verben, die der Regelmäßigkeit unterliegen, bilden das Präteritum mit folgenden Endungen:
● -test
● -te
● -ten
● -te
● -ten
● -tet
Singular
ich nag + -te
du nag + -test
er /sie / es nag + -te
Plural
wir nag + -ten
ihr nag + -tet
sie nag + -ten
Merke: Der e-Einschub erfolgt in folgenden Fällen:
Der Verbstamm endet auf
● -t
● -d
● -m
● oder
● -n
Zudem muss in diesen Fällen zusätzlich ein Konsonant vorausgehen (gilt nicht für: l, r, m oder n).
Verben, die der Unregelmäßigkeit unterliegen, bilden die Zeitstufe des Präteritums mit dem so genannten Ablaut. Damit ist die Änderung des Stammvokals gemeint. Während die 1. und 3. Person Singular ohne Endung sind, lautet die Endung in der 2. Person Singular auf -st. Im Plural hingegen auf -en,-t und -en:
Singular
ich brate + -
du briet + -st
er, sie, es + -
Plural
wir briet + -en
ihr briet + -t
sie briet + -en
Merke:: Dere-Einschub erfolgt in folgenden Fällen:
Verbstamm endet auf
-ss
-s
oder -z
-ß
Bei der 2. Person Singular muss ein -e eingeschoben werden, während es in der 2. Person Plural eingeschoben werden kann. Allerdings entspricht das dann einer eher veralteten Form. Wenn der Verbstamm aber auf -t oder -d endet, muss in der 2. Person Plural ein -eeingeschoben werden.
Einige Verben (gemischte Konjugation) bilden diese Vergangenheitsform wie die Verben, die der Unregelmäßigkeit unterliegen: der Stammvokal wird geändert. Die Endungen aber müssen die der Zeitstufe des Präteritums der regelmäßigen Verben sein.
Das Plusquamperfekt
Die Zeitform des Plusquamperfekts wird in der Grammatik fast immer mit dem Präteritum gebraucht. In dieser Form drückt es dann die Vorzeitigkeit aus. Deshalb wird auch von Vorvergangenheit gesprochen: Es wird ein Geschehen bezeichnet, welches bereits vor einem anderen Ereignis lag.
Das Plusquamperfekt kommt besonders dann zum Tragen, wenn es um den Einsatz der richtigen Erzählzeit in niedergeschriebenen Geschichten geht. Ist eine Geschichte in der Vergangenheit (Perfekt oder Präteritum) geschrieben, stehen eventuelle Rückblenden im Plusquamperfekt. Für den Leser kann das allerdings ermüdend und nervig wirken, wenn jeder Satz seitenweise ein "hatte enthält. Der professionelle Autor "schleicht" sich dann schlicht aus dem Plusquamperfekt, indem er die ersten Sätze in der Vorvergangenheit schreibt (um den Zeitenwechsel zu signalisieren) und dann wieder in der Vergangenheitsform fortfährt, in der der Text geschrieben steht. Autoren, die noch am Anfang stehen, machen hier oft Fehler.
In der gesprochenen Sprache hingegen wird das Plusquamperfekt manchmal gebraucht, obwohl gar keine Vorzeitigkeit besteht. Es kommt auch recht häufig vor, dass diese Zeitform falsch angewendet wird. Eine falsche Anwendung sollte der Lernenden nicht übernehmen, auch wenn er das in seinem Umfeld öfters hören mag.
Falsch:Das hat / hatte er vorher noch nie gehört gehabt.
Richtig:Das hatte er vorher noch nie gehört.
Die Vorvergangenheit wird gebildet:
mit den Verben haben (Hilfsverb) und sein (Hilfsverb) im Präteritum
und dem Vollverb im Partizip Perfekt
Während ein Großteil der Verben die Vorvergangenheit mit dem Verb haben bilden, kommt bei Verben, die eine Bewegung oder eine Veränderung ausdrücken, das Verb sein (Hilfsverb) zum Zuge.
Beispiel mit haben
Singular
ich hatte getrunken
du hattest getrunken
er, sie, es hat getrunken
Plural
wir hatten getrunken
ihr hattet getrunken
sie hatten getrunken
Beispiel mit sein:
Singular
ich war gegangen
du warst gegangen
er, sie, es war gegangen
Plural
wir waren gegangen
ihr wart gegangen
sie waren gegangen
Das Präsens (Gegenwart)
Das Präsens gibt ein Ereignis in der Gegenwart an. Um sich das deutlicher zu machen, kann sich der Deutschlernende ein gerade, jetzt, zurzeit hinzudenken.
Das Präsens kann aber auch allgemeingültige Aussagen machen und zeitlose Zustände wiedergeben. Diese kurze Übersicht macht die Anwendung des Präsens klar:
Geschehen in der Gegenwart Ich lese (gerade) ein Buch.
zeitlose Zustände und allgemeingültige Aussagen Die Sonne geht im Westen unter.
Beschreibungen und Handlungsanleitungen Dann füllt man den Teig in die gut eingefettete Form.
kann auch auf zukünftiges verweisen (zusammen mit den Zeitangaben morgen, bald, später, dann usw.) In drei Wochen fliegen wir in Urlaub
historisches Präsens Er betrat den Schuppen und blickte um sich. Er hielt inne. Plötzlich sieht er einen Schatten: "Wer ist da?", ruft er laut. (Präsens und Präteritum wechseln sich ab.)
Die Gegenwartsform wird folgendermaßen gebildet:
Indikativ mit Verbstamm
+ Personalendungen
Singular
ich lieb + -e
du lieb + -st
er, sie, es lieb +-t
Plural
wir lieb + -en
ihr lieb + -t
sie lieb + -en
So einfach die Bildung des Präsens scheint, auch diese Zeitform hält einige Besonderheiten parat, die es zu beachten gilt. Anders erfolgt die Formenbildung
bei unregelmäßigen Verben
bei e-Einschub
Bei Verben, die unregelmäßig sind, ändert sich der Stammvokal. Dies geschieht in der 2. und 3. Person Singular:
a → ä: fangen → du fängst, er fängt
e → i: erschrecken → du erschreckst, er erschreckt
au → äu: saufen → du säufst, er säuft
eh → ieh: befehlen → du befiehlst, er befiehlt
o → ö: stoßen → du stößt, er stößt
Für die 2. und 3. Person im Singular und die 2.Person im Plural wird vor der Personalendung ein -e eingeschoben, wenn der Verbstamm auf -t, -d, -n oder -m endet. Schließlich muss in diesen Fällen zusätzlich ein Konsonant vorausgehen (gilt nicht bei l, r, m oder n).
Beispiel:
lernen → du lernst er, sie, es lernt ihr lernt
arbeiten → du arbeitest er, sie, es arbeitet ihr arbeitet
Hierzu gibt es eine Ausnahme: Bei z. B. den nicht regelmäßigen Verben haben und laden wechselt der Stammvokal. Das geschieht im Singular in der 2. und 3. Person. Das-e wird ausschließlich in der 2. Person Plural eingeschoben.
Es kann aber nicht nur ein -e eingeschoben werden. Das -e kann auch ausfallen. Das nennt man dann e-Ausfall. Der Ausfall erfolgt bei Verben, die auf -eln enden. Dann entfällt im Singular der 1. Person das -e vor dem Konsonanten -l. Selbiges gilt für die 1. Person und 3. Person im Plural.
Beispiel
wandeln: ich wandle
Ebenso bei: heucheln, sammeln, munkeln, schwindeln…
Verben, die in der Infinitivform auf -auern enden, kann das -e in der 1.Person Singular entfallen, muss aber nicht.
Neben dem e-Ausfall gibt es auch den s-Ausfallin folgenen Fällen:
Das Futur I bezeichnet ein Ereignis, das noch nicht passiert ist. Es bezeichnet
etwas Zukünftiges
Sie werden sich übermorgen um 18.00 Uhr treffen.
eine Annahme über ein Ereignis, das exakt zu der Zeit des Sprechens abläuft
Herr Schmidt ist noch nicht bei uns eingetroffen. Er wird noch in der Besprechung sein.
oder eine Absicht / Aufforderung wird ausgedrückt
Ich werde mich darauf vorbereiten. (Absicht)
Du wirst jetzt sofort dein Zimmer aufräumen!
Recht häufig kommt statt Futur I die Zeitform Präsens zur Anwendung. Nicht selten weist ein Wort (später, nächste Woche, morgen...) in derselben Aussage bereits auf die Zukunft hin.
Beispiel:
Der Workshop beginnt am Mittwoch.
Verlass dich auf ihn. Er erledigt das.
Das Futur II
Die Zeitform des Futurs II gibt an, dass ein künftiges Ereignis noch vor einem anderen Ereignis, das in der Zukunft liegt, abgeschlossen sein wird. Deshalb wird auch von vollendeter Zukunft gesprochen.
Nächste Woche werden wir die Renovierungsarbeiten abgeschlossen haben.
Interessant wird die Verwendung des Futurs II, wenn Vermutungen oder Annahmen über vergangene Ereignisse zum Ausdruck gebracht werden sollen.
Er ist noch nicht bei uns eingetroffen. Er wird wohl noch zur Feier gegangen sein.
Gebildet wird das Futur II aus drei Bestandteilen:
Verb werden (Hilfsverb) im Präsens
+ dem Vollverb im Partizip Perfekt
+ Infinitivform von haben und sein
Beispiel Futur II mit haben:
Singular
ich werde geleistet haben
du wirst geleistet haben
er, sie, es wird geleistet haben
Plural
wir werden geleistet haben
ihr werdet geleistet haben
sie werden geleistet haben
Beispiel Futur II mit sein
Singular
ich werde gehüpft sein
du wirst gehüpft sein
er, sie, es wird gehüpft sein
Plural
wir werden gehüpft sein
ihr werdet gehüpft sein
wir werden gehüpft sein
Die Zukunftsform des Futurs II wird eher selten verwendet. Meistens kommt das Perfekt zum Zuge. Das nennt man auch Ergebnisperfekt:
Nächste Woche haben wir die Renovierungsarbeiten abgeschlossen.
Das Perfekt liest sich in diesem Fall nicht nur einfacher, es ist auch angenehmer für den Sprechenden, weil es natürlicher klingt.
Fazit
Wer eine Sprache schnell lernen möchte, braucht eine sinnvolle Methode. Bestimmte Gewohnheiten in der gesprochenen Sprache zeigen dabei die Häufigkeit der typisch gebrauchten Zeitformen. Im Deutschen wird in der gesprochenen Sprache meistens das Perfekt anstelle des Präteritums als Erzählsprache verwendet. Statt des Futurs I kommt das Präsens in der Alltagssprache zum Zuge. Ist das erst einmal verstanden, mag sich der Schüler recht schnell den Sprechgewohnheiten der jeweiligen Region, in der er lebt, anpassen. Vorsicht ist allerdings bei fehlerhaften Konstruktionen der Zeitformen geboten. Um die richtige Form von der falschen unterscheiden zu können, müssen die jeweiligen Formen gekonnt sein.
Der Lernende ist jedoch angehalten, eine Sprache in ihrer Vollständigkeit zu lernen. Auch die Zeitformen, die eher selten benutzt werden, sollten gekonnt sein. Besonders die Schriftsprache wird leider oft vernachlässigt. Sie ist jedoch nicht zu unterschätzen. Sie hebt sich deutlich von der Alltagssprache ab. Sie eben nicht ein Ebenbild der mündlichen Sprache. Besonders für Prüfungsvorbereitungen müssen alle Zeitformen in allen Personen im Deutschen gekonnt sein.