Zinssatz und Vermögensbildung: So wird die 72er Regel angewandt
Ganz ohne Zahlen wird man in der Finanzwelt nie auskommen. Allerdings können zu viele Formeln und Rechnungen auf den Anleger auch verwirrend wirken. In der Folge ergibt sich dann kein Erkenntnisgewinn, sondern die Verunsicherung des Anlegers steigt sogar. Einigen Finanzberatern wird sogar nachgesagt, dass sie genau deswegen mit besonders vielen Zahlen jonglieren. Doch völlig hilflos ist einem solchen Verhalten niemand ausgeliefert. Denn es gibt eine ganze Reihe an einfachen Faustformeln, die es ermöglichen, wichtige Daten überschlägig zu berechnen. Dies reicht meist schon aus, um eine erste Einschätzung zu treffen und die verschiedenen Optionen zu sortieren. Ein Beispiel dafür: Die 72er Regel.
Wie lautet die 72er Regel?
Konkret besagt die Faustformel, dass die Zahl 72 durch den Zinssatz einer Anlage geteilt werden muss. Als Ergebnis erhält der Sparer dann die Dauer in Jahren bis sich sein Geld verdoppelt hat. Mathematisch ausgedrückt wir dabei definiert: i = Zinssatz und Zeit(in Jahren) = t. Daraus ergibt sich dann die Formel t = (72 / i), die sich relativ einfach auch im Kopf ausrechnen lässt. Gleichzeitig lässt sich die Formel natürlich auch einfach umdrehen. Wer beispielsweise ausrechnen möchte, welchen Zinssatz er benötigt, um seine Anlage in einer gegebenen Anzahl von Jahren zu verdoppeln, rechnet einfach: i = (72/t).
So funktioniert die 72er Regel in der Praxis
t = (72 / i)
Was zunächst einmal recht technisch klingt, lässt sich anhand einiger Beispiele erläutern. Nehmen wir an jemand möchte Geld zu einem Zinssatz von einem Prozent anlegen und wissen, wann sich die Summe dann verdoppelt hat. In diesem Fall rechnet er schlicht 72 durch 1 und erfährt, dass er wohl fast ein ganzes Leben warten muss. Bei einem Zinssatz von drei Prozent hingegen geht es schon deutlich schneller. Denn 72 durch 3 ergibt 24. Dieses Prozedere lässt sich mit jedem denkbaren Zinssatz durchführen. Bei einem Zinssatz von vierzig Prozent muss der Anleger beispielsweise nur 1,8 Jahre bis zur Verdoppelung der Summe warten.
i = (72/t)
Es gibt aber auch den umgekehrten Fall. So ist es denkbar, dass ein Anleger innerhalb von zehn Jahren sein Vermögen verdoppeln möchte - beispielsweise weil er dann in Rente geht. In diesem Fall teilt er die Zahl 72 schlicht durch zehn und kommt auf einen Wert von 7,2. Dieser Zinssatz muss also mindestens erreicht werden, damit dann zum Renteneintritt auch die gewünschte Summe zur Verfügung steht. Hier gilt logischerweise: Je mehr Zeit noch ist, desto geringer kann auch der Zinssatz ausfallen. Wer also noch vierzig Jahre bis zur Rente hat, rechnet 72 durch 40 und kann sich mit einem Zinssatz von 1,8 Prozent begnügen.
Warum benötigt man überhaupt eine Faustformel?
Die Notwendigkeit der 72er Regel ergibt sich vereinfacht ausgedrückt aus dem Zinseszinseffekt. Dieser lässt sich am einfachsten anhand eines Beispiels erklären: Wer sein Geld für zwanzig Jahre anlegt, erhält schon nach dem ersten Jahr die erste Zinszahlung. Diese wird dann mit angelegt und wirft noch 19 weitere Jahre ebenfalls Zinsen ab. Im zweiten Jahr wird also nicht nur die ursprüngliche Summe verzinst, sondern die Ausgangssumme plus die Zinsen. Je länger eine Anlage läuft, desto stärker wirkt sich dieser Effekt aus. Dadurch aber wird die Formel 100 geteilt durch den Zinssatz unbrauchbar.
Wie wird die 72er Regel hergeleitet?
Hinter jeder Faustformel steht in der Regel eine komplizierte mathematische Formel. Das ist auch bei der 72er Regel der Fall. In diesem Fall benötigen wir das Endkapital (kt), das Anfangskapital (k0), den Zinssatz (i) und die Anlagedauer (t). Daraus ergibt sich zunächst die Formel Kt = K0(1+(i/100) hoch t. Da wir die Zeit bis zur Verdoppelung des Anfangskapitals errechnen wollen, wird diese Formel nun mit 2K0 gleichgesetzt: 2K0=K0(1+(i/100)hoch t. Wendet man nun auf beiden Seiten eine Logarithmus-Funktion an und löst nach t auf, erhält man: t = 69,31/i. Genau genommen müsste man also eigentlich 69,31 durch den Zinssatz teilen. Die 72 liegt dem Wert aber nahe und hat eine Vielzahl an kleinen Teilern. Deshalb wird sie oft als Ausgangspunkt der Faustformel verwendet.
Wo liegen die Grenzen der 72er Regel?
Die 72er Regel kann nützlich sein, um die notwendige Dauer einer Geldanlage zu berechnen. Sie macht aber keine Aussage über das Risiko einer Geldanlage. Möchte man sein Geld für 0,5 Prozent Zinsen bei seiner Hausbank anlegen, spielt dies keine große Rolle. Bei riskanteren Anlagen mit höheren Zinssätzen aber natürlich schon. Denn hier besteht ein gewisses Risiko, dass die Zinsen niedriger ausfallen als kalkuliert oder es sogar zu einem Ausfall der Anlage kommt. Bei der Anwendung der 72er Regel sollte also stets bedacht werden, dass es sich hier um eine Rechnung für den Idealfall handelt. Die Faustformel funktioniert zudem nur bei Anlagen mit einem festen Zinssatz oder einer fixierten Rendite. Ändert sich der Zinssatz hingegen jedes Jahr, wird die Formel deutlich kompliziert. Die Gewinne aus Aktieninvestments und den dabei anfallenden Dividenden beispielsweise lassen sich mit der Faustformel nicht korrekt erfassen.