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Die wissenschaftliche Textanalyse

Tipp von Redaktion
Eine Textanalyse zielt darauf ab, einen literarischen Text oder Sachtext auf seine Bausteine und Besonderheiten hin systematisch auf Grundlage festgelegter Kriterien zu untersuchen und daraufhin wissenschaftlich fundierte Aussagen über den Text zu treffen. Neben dem Inhalt sind auch die Struktur und die Sprache des Ausgangstexts relevant. Die Analyse erfordert eine Zerlegung des Textes in seine Einzelteile, ergibt eine detaillierte Betrachtung der Beziehung dieser Textbestandteile und ermöglicht eine kritische Auseinandersetzung mit der Intention.

Die Textanalyse enthält nicht zwangsläufig eine Textinterpretation. Hierfür muss eine Textanalyse um die Interpretation ergänzt werden. Die Analyse bildet aber die Grundmauer für eine Interpretation.

Sach- oder literarische Texte können mittels einer Textanalyse untersucht werden. Zu den literarischen Texten gehören Gedichte, Dramen und Prosa. Je nach Art des Textes sind verschiedene Schwerpunkte zu setzen, die unterschiedliche Herangehensweisen erfordern. Einige Analysepunkte sind aber universell anwendbar. Von großer Bedeutung ist die objektive Formulierung. Ziel ist die strukturierte Herausarbeitung von Informationen und Besonderheiten auf wissenschaftlicher Basis.

Im ersten Schritt empfiehlt es sich, den Ausgangstext vollständig sorgfältig zu lesen, möglichst mehrfach, und dabei Notizen zu den Kernaussagen und den allgemeinen Inhalten zu machen. Anschließend erfolgt eine Aufteilung in Sinnesabschnitte, die thematische und inhaltliche Gliederung. Es ist notwendig, alle Inhalte zu verstehen und zu prüfen, ob es Fachbegriffe oder Redewendungen gibt, die näher erläutert werden müssen.

Aufbau einer Textanalyse

Textanalysen werden immer nach dem gleichen Grundgerüst aufgebaut: Einleitung, Hauptteil und Schlussteil. Je nach Textart können innerhalb dieser drei Bausteine verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden.

Einleitung:

Die Einleitung liefert die Kerninformationen zum Ausgangstext: Titel, möglicherweise Gesamtwerk, Autor/in, Entstehungsjahr, Literaturepoche und Nennung der Kernaussage. Eine kurze und verständliche Formulierung bietet sich an, zu viele Fakten sollten nicht aufgenommen werden. Dennoch dürfen keine relevanten Informationen fehlen. Es ist sinnvoll, die Einleitung so zu verfassen, als würden künftige Leser/innen der Textanalyse weder den Ausgangstext noch die Textart kennen.

Hauptteil:

Der Hauptteil der Textanalyse befasst sich mit Inhalt, Struktur und Sprache. Die Einzelbetrachtung der Bausteine und Besonderheiten werden herausgearbeitet. Es ist auf folgende Punkte einzugehen: Thema, Kernaussage oder Problem, Handlungsablauf (kurze Inhaltswiedergabe), Figuren und deren Charaktereigenschaften und Beziehungen zueinander und Charakterisierung der Hauptfiguren.

Hinsichtlich der Struktur sind Aufbau, Gliederung und Entwicklung der Handlung zu untersuchen. An dieser Stelle ist zu bewerten, ob sich ein Spannungsbogen mit Höhepunkt oder Wendepunkt ergibt und welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen. Eine Entwicklung oder Stagnation der Figuren ist zu beschreiben und zu begründen. Sofern ein Erzähler die Geschichte stützt, sollte die Erzählperspektive beschrieben werden. Das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit ist zu untersuchen, Rückblicke oder Vorschauen können nun ebenfalls dargestellt und bewertet werden.

Die Sprache mit ihren Besonderheiten ist häufig der wichtigste Indikator für die Bewertung des Gesamttextes und gibt Aufschluss über ungeschriebene Kernaussagen. Je nachdem, ob eine aktuelle oder veraltete Sprache verwendet wird, kann das Entstehungsjahr bestätigt oder eine untypische Paarung festgestellt werden. Wichtig ist es nun auf die Verwendung von Wortarten und stilistischer Mittel sowie deren Wirkung im vorliegenden Text einzugehen. Diesem Teil der Textanalyse muss eine besondere Bedeutung beigemessen werden, die sich im Umfang der sprachlichen Untersuchung widerspiegeln sollte. Insgesamt sind eine angemessene Länge und Detailreichtum in der Analyse vorteilhaft, noch wichtiger ist aber die Vollständigkeit.

Schließlich erfolgt eine literarische Einordnung. Diese umfasst die Epochenmerkmale und die epochale Einordnung des Textes sowie des Autors / der Autorin. Sofern weitere Texte aus der gleichen Epoche bekannt sind, kann an dieser Stelle ein kurzer Vergleich vorgenommen werden.

Schlussteil:

Die Ergebnisse des Hauptteils werden kurz zusammengefasst. Der Schlussteil gibt die wichtigsten Analysepunkte wieder. Folgende Fragen sollten beantwortet werden: Welche Botschaft vermittelt der Text? Welche Besonderheiten sind durch die Untersuchung deutlich geworden und in welcher Weise stützen diese das inhaltliche Thema und die Kernaussagen? Gibt es Raum für unterschiedliche Sichtweisen oder Fragen, die der Text eventuell bewusst offen lässt?

Die Aufgabenstellung entscheidet, ob eine reine Textanalyse zu fertigen (analysieren, einordnen, erörtern, erklären, untersuchen, vergleichen) oder eine Interpretation (deuten, beurteilen, bewerten, Stellung nehmen, diskutieren, begründen) vorzunehmen ist oder ob beide Elemente gekoppelt werden sollen.

Interpretation:


Die Interpretation ist die Deutung des Ausgangstexts unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Textanalyse. Aufbauend auf die Aanalyse wird eine Deutung der Intention des Autors dargestellt. Die Intention ist die Bewertung dessen, was "zwischen den Zeilen" steht und liefert eine plausible Erklärung für die Absicht des Autors / der Autorin. Ziel ist die Verknüpfung der analysierten Bausteine mit den inhaltlichen Hintergründen.

Für die Verfassung einer Interpretation ist die Einleitung der Textanalyse um eine Deutungshypothese zu ergänzen. Es wird eine Annahme formuliert, was die Textintention sein könnte. Mögliche Intentionen sind zum Beispiel die Beleuchtung bestimmter Probleme, die Übung von Gesellschaftskritik oder die Vermittlung von Hoffnung und Zukunft.

Im Hauptteil muss die Bearbeitung in Inhalt, Struktur und Sprache jeweils auch die Deutungshypothese einbeziehen. Mit entsprechenden Beispielen ist diese Hypothese zu stützen oder zu widerlegen. Eine Widerlegung der Deutungshypothese bedeutet nicht, dass Analyse oder Interpretation gescheitert sind. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Text setzt kann die Widerlegung der Hypothese zur Folge haben.

Der Schlussteil wird um eine kurze Aussage zur Intention und der Widerlegung oder Bestätigung der Hypothese ergänzt. Sofern keine explizite Äußerung durch den Autor / die Autorin gegeben ist, ist jede auf der Grundlage geeigneter Analysebeispiele begründete Interpretation möglich.