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Jakob Balde

- Gedicht von Levin Schücking

Jakob Balde

(1623)

Der Mond bescheint das alte Ingolstadt,
Des Domes Wucht, der spitzen Thürme Pfeile,
Und in der Donau dunkle Wasser hat
Er eingebrannt die lange Feuersäule.

Die Gassen sind verstummt, man hört den Fluß,
Wie seine Welle rauscht in sachtem Gange;
Ein frisches Weh`n zieht von ihm wie ein Kuß
An eines Mannes fieberheiße Wange.

Der steht gelehnt an eines Erkers Wand,
Wirr das Gelocke seiner Stirn, der breiten;
Um eine Either preßt sich seine Hand,
Und rieselnd zieht der Nachtwind durch die Saiten.

Nun hebt er mit der Rechten sie empor,
Ein dräuend Bild, deß Rahmen ist der Erker; —
„Sey du verflucht! — ich aber bin ein Thor,
Der um sich selber aufgebaut den Kerker.`

— „Geleiert hab` ich — oft zum Morgenroth,
Um an ihr Herz, das steinerne, zu klopfen,
Und jede Zeile war von Gluth durchloht
Und jedes Wort von meinem Blut ein Tropfen!`

„Vergeudet ist`s!` — Er reckt sich höher empor;
Die Schatten von den Saiten seiner Either
Stehn auf dem mondesbleichen Antlitz, vor
Der Seele drinnen ein Gefängnißgitter.

Und nun ein Schlag und ein gewalt`ger Klang,
In seinem Spiel ein hallendes Gestöhne;
Am Boden liegt`s und jeder gold`ne Strang
Stieß schreiend aus den letzten seiner Töne.

Und auf die Trümmer stellt er seinen Fuß,
Stolz mit dem Haupt rückschnellend seine Locken;
— Da horch — die Nacht durchrollt`s — ein voller Gruß,
Das helle Läuten naher Klosterglocken.

Sie streuen ihre Klänge in das Land,
Die Zunge deß, der wacht ob seinem Träumen,
In jede Zelle klingend und am Strand
Sich silbern tauchend in der Donau Schäumen.

Wer ist, dem sie nicht eine fromme Mähr
Aus seinem eignen Herzen anvertrauten?
Wem sprachen sie von Frieden nicht, und wer
War einmal nicht ein Heil`ger bei den Lauten?

Der Mann im Erker aber lauscht und steht —
Dann ist die heiße Wange naß geworden,
Und als der Tag empor gestiegen, geht
Der Dichter Jakob Balde in den Orden.


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