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Ein Traumbild

- Gedicht von Hermann Rollett

Ein Traumbild

(Baden.)

So bin ich fortgezogen
Frei in die Welt hinaus,
Viel heiße Wünsche flogen
Mir nach vom Heimathaus.

Viel Hoffen und viel Sehnen
Aus manchem Auge sprach,—
Vielleicht auch flößen mir Thränen
Des bittersten Schmerzes nach.

Wenn alle getröstet waren,—
Ein Auge nicht trocken blieb
Doch ich könnt es nicht ersparen
Der innigsten Mutterlieb!

Ich mußte sie betrüben,
So schwer es dem Herzen kar[?]
Ich mußte die Seele üben
In der Entsagung Gram! —

Noch einmal sah ich vom Hügel
Auf der Heimat kleine Welt,
Die einst meiner Seele Flügel
Mit Lieb und mit Luft gesch[?]

Die einst meiner Kindheit Träume
In Lust und in Liebe genährt
Und es lagen die stillen Räume
Vor meinem Aug wie verklär

Und aus dem hellen Schimmer,
Der glühend lag im Thal,
Da funkelte ein Geflimmer
Mit wunderbarem Stral.

Da sah ich in lichtem Wehen,
In Hoheit und in Glanz;
Ein ernstes Weib erstehen,
Geschmückt mit grünem Kranz.

Sie winkte mit ihrem hellen,
Tiefblauen Augenpaar,
Und es wallte in goldenen Wellen
Herab ihr reiches Haar.

Sie hielt in, ihrer Rechten
Einen Straus voll Duft und Glanz,
Und ich sah sie im Lichte flechten
Einen winkenden Blumenkranz.

Und als sie den Kranz geschlungen
Da lachte sie hold mich an,
Und es war mir, als hätt es gelungen
`Geh muthig deine Bahn!`-

Die süßen Worte zerflossen
Und ich stand am Hügelsaum,
Und bebend hielt ich umschlossen
Der Sehnsucht lieblichen Traum.

Und selig mocht ich versinken
In der Worte stärkenden Klang
Um Kraft aus ihnen zu trinken
Für meinen schweren Gang. —

Bald war das Traumbild entflogen
Im dämmernden Abendschein,-
Und also bin ich gezogen
Mutig ins Leben hinein!


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