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Familientrauer

- Gedicht von Rudolf Presber

Familientrauer

    Im Traume seh` ich wohl zuweilen
Mich selbst als toten, stillen Mann;
Und blasse schwarze Männer eilen
Und sagen meine Leiche an.

    Es tönt durchs Haus von dumpfen Glocken;
Die Nelken wehn am Fensterbrett.
Die Muhme mit den falschen Locken
Sitzt als die erste mir am Bett.

    Sie sagt, sie sei hier keine Fremde,
Und seufzt: `Wir standen leider schlecht!`
Und zupft das feuchte Totenhemde
Mit spitzen Fingern mir zurecht.

    Die Tante spricht beim Blumenbinden
Von ihrem früh verstorbnen Kind,
Und daß die Harlemhyazinthen
In diesem Jahr so teuer sind.

    Der Vetter meint, es sei im Zimmer
Für spätere Andacht schon zu warm,
Und fügt hinzu: er trage immer
Den Flor am rechten Unterarm.

    In meine Bücher sich versenken
Will Kitty - liebe süße Maus! -
Und haucht: `Ich nehm` zum Angedenken
Den Maupassant mir mit nach Haus ...`

    Mit Augen, die im Zorn entbrennen,
Zur Decke Onkel Gustav schielt:
`Das muß ich wirklich taktlos nennen,
Bei Lehmanns wird Klavier gespielt!`

    Des kleinen Hänschens Arme suchen
Der Mutter Knie mit Schmeichellist:
`Mama, dibt`s heute Streußeltuchen,
Weil Ontel Rudi `storben ist?`

    Ich liege stumm und kalt und heiter -
Ich hab`s mir anders nie gedacht.
Und draußen blüht der Frühling weiter,
Und purpurn kommt die Maiennacht!

    Es dröhnt der Straße lautes Treiben
Herauf im altgewohnten Schwall -
Und surrend an die Fensterscheiben
Wippt mir ein leichter Federball.

    Die Pförtnerskinder - schade - schade,
Stehn jetzt da unten, heiß vom Spiel,
Und warten auf die Schokolade,
Die sonst aus diesem Fenster fiel ...


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