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An Hamburg.

- Gedicht von Franz Wisbacher

An Hamburg.

(Anläßlich der Cholera-Epidemie im Sommer 1892.)

Friede Dir, Du Stadt der Trauer,
Eingetaucht in Leidensflut,
Über der ein Thränenschauer
Sommerschwül und brütend ruht!

Tief erschüttert von der Kunde,
Wie der Herr Dich heimgesucht,
Fühle ich im Herzensgrunde
Deines Unglücks ganze Wucht.

Keiner ist so trüb von allen
In Germaniens Städtekranz
Als wie Dir ihr Los gefallen,
Niobe des Vaterlands!

Ob geheime Schuld sich hülle
In den Fluch, der auf Dir liegt:
Solchen Elends Riesenfülle
Selbst das Schwerste überwiegt!

Im Verlauf von fünfzig Jahren
Bis Zum jüngsten Trauertag
Hast so Bittres Du erfahren,
Wie kein Wort es künden mag.

Flammen fraßen Deines Bürgers
Wohnung einst und Gut und Hab’,
Den die Hand des bleichen Würgers
Heute stößt ins Massengrab.

Auf die Kniee hingesunken
Seh’ ich Dich, ein sterbend Weib;
Unstet irrt des Auges Funken,
Fieber schüttelt Deinen Leib.

Reizend noch im letzten Ringen,
Hebt sich mächtig Deine Brust;
Um den weißen Nacken schlingen
Locken sich voll Todeslust.

Dürfte ich die heißen Schläfe
Kühlen Dir mit Himmelstau,
Daß Genesungshauch sie träfe
Mild wie Luft und Wogenblau!

Öffne leis die müden Brauen,
Eh’ ihr Stern im Tode bricht;
Aufwärts sollst du betend schauen,
Dort erglänzet Hoffnungslicht!

Nach dem Himmel möcht’ ich zeigen
Dir in solcher Leidensnacht;
Wenn der Erde Tröster schweigen,
Oben noch ein Helfer wacht.

Er, der einst dem Ungeheuern
Flammenmeere Halt gebot,
Er allein vermag zu steuern
Deiner Angst und Todesnot!


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